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Fritz Miller – Mit Freunden auf Klettertrip in Patagonien

Wieder einmal zog es mich nach Patagonien, in den Süden von Südamerika, dahin, wo Fitz Roy, Cerro Torre und das schlechte Wetter zuhause sind. Wieder einmal mit großen Plänen, aber auch mit dem Wissen, dass solche meist nichts wert sind, denn Wind und Wetter scheren sich nicht um irgendwelche Pläne. In Patagonien hat man nach ihrer Pfeife zu tanzen – zumindest als Kletterer.



Aguja Guillaumet

Über El Chaltén (370m) scheint die Sonne und wir – Korbinian, Hans-Peter, Markus und ich – hängen an den Boulderfelsen am Ortsrand ab. Es ist unser erster Tag hier, nach einer langen Anreise über Frankfurt, Sao Paulo, Buenos Aires und El Calafate. Und es ist alles noch ein wenig unwirklich. Viel Zeit zum Einleben lassen wir uns aber nicht. Gleich am nächsten Tag marschieren wir im trüben Wetter Richtung Aguja Guillaumet (ca. 2580m), einem Nebengipfel des Fitz Roy. Nach einer kurzen Nacht im Camp Piedra Negra (ein paar Biwakplätze mit Steinmauern auf ca. 1500m) geht‘s weiter zur Ostwand der Guillaumet. Korbinian und ich steigen in die Mixedroute „Pippo Frasson“ (M5, 300m) ein, über die wir recht bald den Gipfel erreichen. Dort sind wir dem Wind voll ausgesetzt und damit endgültig in Patagonien angekommen. Kleine Eisstücke fliegen durch die Luft, die Hardshelljacken knattern, die Wolken schießen entlang der Granitzacken in den Himmel. Ziemlich cool hier oben und gutes Testgelände für ein paar neu entwickelte Teile, die ich am Leib trage. Wir suchen uns dennoch einen windgeschützten Platz, um auf Hans und Markus zu warten, die noch irgendwo in der Wand hängen. Nach dem Abseilen spuren wir zum legendären Paso Superior, von wo wir Richtung El Chaltén absteigen. Eins ist sicher: Es liegt ziemlich viel Schnee im Gebiet. Und es wird wohl noch mehr hinzukommen…

Das Leben in El Chaltén
Ein großer Teil des schlechten Wetters, das der Westwind vom Pazifik zu den südlichen Anden transportiert, bleibt netterweise in den Bergen hängen. So ist El Chaltén etwas wetterbegünstigt – was dennoch oft genug Schmuddelwetter bedeutet. Leichter Regen sollte den Kletterer aber nicht weiter stören, denn der Fels trocknet im Wind gleich wieder ab… Wir packen uns wetterfest ein und erkunden eine 200-m-Felswand, die sich direkt über dem Ort erhebt. Daniel Gebel und Carsten von Birkhahn haben hier eine Reihe von Sportkletterrouten eingerichtet. Wir klettern eine feine Mehrseillängentour und stellen dabei fest, dass die heimische Tierwelt auch nicht ausnahmslos vom Wetter begeistert ist: Ein Kondor hat mit den Sturmböen noch mehr zu kämpfen als wir und dreht bald entnervt ab. Tags darauf bekommen wir in einem anderen, gut besuchten Sektor der Wand Besuch vom Grundstücksbesitzer und zwei jungen Polizisten, die uns erklären, dass man hier nicht klettern darf. Schade, aber der Ort hat noch mehr zu bieten: Bier, Steaks, Burger… So vergeht die Zeit recht schnell, und bald lässt sich auf windguru.cz (einer Wetterseite für Surfer) das nächste mittelprächtige Wetterfenster erkennen.

Schnee ohne Ende
Diesmal peilen wir eine Mixedroute an der Aguja Mermoz an: „Vol de Nuit“ (450 m, 90° M6 A2) – auch bei guten Verhältnissen ein sehr ambitioniertes Vorhaben. Wieder steigen wir über „Piedra Negra“ und den Paso Guillaumet zu, von wo aus wir uns weiter zum Einstieg vorarbeiten. Langsam geht die Sonne auf, die Kulisse ist beeindruckend, der frische Schnee wunderschön – und doch ziemlich lästig. Zuletzt reicht er dem Spurenden bis zur Hüfte. Gut, dass wir zu viert sind und öfters wechseln können. Die Kletterei ist zu Beginn einfach und wird dann schnell heikel: viel Schnee, wenig Eis, schlechte Sicherungsmöglichkeiten. Noch vor den Hauptschwierigkeiten brechen wir ab. Der Rückweg zum Paso Guillaumet ist noch einmal zäh, da der Wind zwischenzeitlich unsere Spuren verblasen hat. Zurück am Zelt bin ich ziemlich platt und froh, nicht weitergegangen zu sein. Wir brechen unser Lager ab. Nach weiteren dreieinhalb Stunden Abstieg mit schweren Rucksäcken erreichen wir abends eine Schotterstraße, von wo wir netterweise mit der deutschen Alpinistin Dörte Pietron zurück nach El Chalten fahren können. Dort heißt es dann nur noch trinken, essen, schlafen.

Klein aber oho
Nach einem halben Ruhetag sind die Beine zwar noch schwer, da es das Wetter erlaubt, starten wir aber gleich wieder – diesmal Richtung Torre-Valley, zum Bridwell-Camp. 10 km Fußmarsch sind es bis dahin. Das Camp liegt geschützt in einem kleinen Wald, die Zeltplätze sind eben, Wasser gibt es auch. Ein perfekter Platz zum Verweilen also. Wir haben allerdings noch etwas vor, und zwar den Cerro Solo (ca. 2100m), einen netten Aussichtsgipfel am Eingang des Torre-Valley. Um 17:00 brechen wir am Camp auf, fünf Stunden später stehen wir auf dem Gipfel. Die Aussicht ist tatsächlich gewaltig. Hier in Patagonien fühlen sich auch die kleinen Berge groß an. Es folgt ein nächtlicher Abstieg zur 1500m tiefer gelegenen Laguna Torre, wenig später erreichen wir unser Nachtlager. Der nächste Tag beginnt noch freundlich, lange lässt das Wetter aber nicht auf sich warten…

Super Domo
Es bleibt erst mal schlecht – gut für meine Gelenke, die nach den letzten Märschen eine Pause brauchen. Ob wohl noch mal was geht? Die großen Touren wohl nicht, schwere Felsrouten bei der Menge Schnee sicher auch nicht. Wir erfahren von einer Erstbegehung im Torre-Valley, einer Mixedroute am Domo Blanco (ca. 2500m): „Super Domo“, angeblich 500m lang, Schwierigkeiten bis WI 5 und M6. Passend dazu bahnt sich etwas besseres Wetter an. Ich hole mir bei Rolando Garibotti, Top-Alpinist und Local Hero von El Chaltén, noch ein paar Tipps ein. Dann geht es mit Korbi los ins Torre-Valley, Hans und Markus starten derweil zur Aguja Poincenot (ca. 3002 m), dem dritthöchsten Gipfel des Gebiets. Nach gut sechs Stunden Zustieg erreichen Korbi und ich das Niponino-Camp (ca. 1000 m). Es regnet leicht, die höheren Gipfel sind, sofern sichtbar, eingeeist. Ganz schön unheimlich. Wir verkriechen uns im Zelt. Der nächste Tag beginnt früh. Aufstehen um 3:00, um 4:00 raus aus dem Zelt. Drei Stunden sind es bis zur Ostwand des Domo Blanco. Vor uns sind zwei Kanadier mit dem gleichen Ziel unterwegs. Die Jungs gehen recht flott und signalisieren damit, dass sie auch als erste einsteigen wollen. Kein Problem, wenn sie auch so schnell klettern… Letztendlich wird es für Korbi und mich ein gemütlicher Tag: warten, klettern, warten, klettern… Egal, das Wetter passt, die Tour ist cool, die Kanadier sind nett und wir geben aufeinander acht. Nach den letzten senkrechten Eislängen wird das Gelände einfach. Wir nähern uns dem Gipfel des Domo Blanco, einer riesigen Eiskappe, und sind mehr und mehr dem Wind ausgesetzt, der ungehindert vom patagonischen Inlandeis herüber weht. Reif fliegt durch die Luft, die Sonne scheint, das Panorama ist schlicht atemberaubend. Yeah, das ist Patagonien.

¡Adiós Patagonia!
Wenig später heißt es schon Abschied nehmen von den Bergen, den Boulderfelsen, von El Chaltén, von unserer gemütlichen Ferienwohnung. Wir hauen die letzten Pesos auf den Kopf und begeben uns auf eine 44-stündige Rückreise. In Sao Paolo tanken wir noch einmal Sonne, bevor es endgültig in Richtung Heimat geht.

Herzlichen Dank an VAUDE für die top Unterstützung beim Zusammenstellen unseres Materials!

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