
Als erstes Outdoor-Unternehmen überhaupt setzen wir bei VAUDE auf ein neues Recycling-Verfahren mittels dessen aus dem Gummi alter Autoreifen der Stoff für neue funktionelle Bekleidung und Ausrüstung entsteht. Altreifen-Recycling und das bekanntere PET-Recycling sind wichtige Schritte in Richtung Kreislaufwirtschaft. Im Beitrag erklären wir, warum.

1,75 Milliarden Altreifen von Autos und Lkw fallen jedes Jahr weltweit an. Das sind 9.900 Stück alle drei Minuten – genug, um sie zu einem Turm zu stapeln, der so hoch wäre, wie der Gipfel der 2.962 Meter hohen Zugspitze. Natürlich stapelt niemand so viele Altreifen fein säuberlich aufeinander. Stattdessen landen sie auf unfassbar riesigen Müllbergen, die zum Teil sogar aus dem All zu sehen sind. Reifen, die nicht auf Deponien oder in der Natur landen, werden verbrannt. Dabei gehen wertvolle und aufwändig gewonnene Rohstoffe einfach verloren. Denn das Rohöl, aus dem das Gummi für die Reifen hergestellt wird, ist eine endliche Ressource. Sie in einem Kreislauf zu halten und immer wieder zu nutzen, schont unseren Planeten und das Klima.
„Wir möchten Vorreiter sein, wenn es darum geht, eine Kreislaufwirtschaft für unsere Funktionsbekleidung aufzubauen. Den Bedarf an primären fossilen Ressourcen zu reduzieren, ist dabei ein großer Schritt.“
René Bethmann, Innovation Manager bei VAUDE

In der Natur ist ein Kreislauf von Rohstoffen normal. Gerade jetzt im Herbst wird das besonders deutlich. Bei einer Wanderung durch bunte Wälder raschelt Laub unter den Schuhen und versteckt so manchen Weg. Wie alte Reifen haben die welken Blätter nur auf den ersten Blick ausgedient. Tatsächlich sind sie nur eine Station im Kreislauf. Innerhalb von Monaten zersetzen Tiere, Mikroorganismen und Pilze die Materie und es entsteht daraus Erde, deren Nährstoffe wieder von Bäumen und anderen Pflanzen aufgenommen werden können. Schon im Frühjahr sprießen neue Blätter und der Kreislauf beginnt von Neuem.

Neue Recycling-Möglichkeiten durch Pyrolyse
Was uns die Natur vormacht, funktioniert mit Kunststoffen leider nicht so einfach. Bisher konnten Reifen nur bedingt recycelt werden. Sie wurden zerkleinert und etwa zu einfachen Gummimatten verarbeitet – man spricht von Downcycling. Dank neuer chemischer Recyclingverfahren ändert sich das nun. Mit der sogenannten Pyrolyse werden aus Kunststoffabfällen sekundäre Rohstoffe gewonnen. Das Unternehmen Pyrum aus Dillingen an der Saar betreibt seit 2020 eine der modernsten Pyrolyseanlagen Europas. Täglich werden dort 2.500 bis 3.000 Reifen recycelt, Tendenz steigend.
Als erstes werden die Altreifen zerkleinert und in ihre Bestandteile (Gummi, Stahl und Textil) zerlegt. Unter Ausschluss von Sauerstoff wird das Gummi bei 300 bis 700 Grad Celsius nicht einfach nur aufgeschmolzen wie etwa beim PET-Recycling. Bei der Pyrolyse werden die Kunststoffe auf molekularer Ebene aufgespalten. Das Resultat ist Pyrolyseöl, welches in Qualität und Eigenschaften gleichzusetzen ist mit neu gewonnenem Rohöl. Somit kann es als Rohmaterial zum Beispiel bei der Herstellung von Polyamid für Outdoor-Bekleidung eingesetzt werden. Das Recyclingverfahren ohne Qualitätsverluste ist für technisch anspruchsvolle Produkte eine entscheidende Voraussetzung. Pyrum ist bisher auf Altreifen spezialisiert, grundsätzlich funktioniert das Verfahren aber mit vielen verschiedenen Kunststoffarten. Sie müssen nicht aufwändig sortiert und gereinigt werden, wie bei anderen Recycling-Verfahren. Dank gleichbleibender Qualität ist der Prozess quasi beliebig oft wiederholbar und ermöglicht so eine echte Kreislaufwirtschaft.

Die Aufbereitung der Rohstoffe mit so hohen Betriebstemperaturen verbraucht viel Energie. Da bei der Pyrolyse aber neben Öl und einigen Abfallprodukten (die anderweitig verwendet werden) auch Gas entsteht, können sich die Anlagen von Pyrum selbst versorgen. Strom wird nur in der Startphase benötigt. Sobald die notwendige Temperatur erreicht ist, verheizt ein angeschlossenes Blockheizkraftwerk das Gas und versorgt so die komplette Anlage. Überschüssiger Strom wird ins Netz eingespeist und damit sogar der Bedarf für die Startphase wieder ausgeglichen. Die Frage nach dem Energieeinsatz ist wichtig, denn beim Recycling geht es nicht nur darum, endliche Rohstoffe weiterzunutzen. Der gesamte Fußabdruck sollte geringer ausfallen als bei der Herstellung und Verwendung neuer Kunststoffe. Pyrum sind hier enorme CO2-Einsparungen gelungen, was die Fraunhofer-Analyse belegt: CO2-Einsparung Pyrum-Pyrolyseverfahren

Altreifen, BASF und das Massenbilanzverfahren
Wo in der Natur nährstoffreiche Erde aus buntem Herbstlaub entstanden ist, hat Pyrum nun Öl aus Altreifen gewonnen. Eine weitere Zwischenstation im Kreislauf. Um aus dem Pyrolyseöl Polyamid herzustellen, das als Stoff für funktionelle Kleidung und Ausrüstung genutzt werden kann, arbeiten wir mit BASF zusammen. Der Chemiekonzern setzt im Projekt ChemCycling auf ein Massenbilanzverfahren. In Ludwigshafen wird das Pyrolyseöl neben Rohöl in den Produktionsverbund eingespeist. Das daraus erzeugte Polyamid-Granulat trägt den Markennamen Ultramid Ccycled. Schon aufgrund der gleichen Qualität wäre am Ende nicht mehr zu unterscheiden, ob der entstandene Kunststoff aus Roh- oder Pyrolyseöl entstanden ist. Tatsächlich steckt überall etwas von beiden drin. Massenbilanz bedeutet, dass der Anteil an eingespeistem Pyrolyseöl rechnerisch der Nachfrage an recyceltem Polyamid entspricht. Vergleichbar ist das mit Ökostrom, der zusammen mit Kohlestrom und anderen ins Stromnetz eingespeist wird. Der Strom aus einer Steckdose kann am Ende nicht mehr einem Windrad zugeordnet werden, aber die Nachfrage nach Ökostrom bedingt den Anteil im Strommix.
Funktionelle Kleidung aus Altreifen für das ganze Jahr
Aus Ultramid Ccycled wird ein Garn gesponnen, das wie konventionelles Polyamid zu Stoffen und anschließend zu Kleidung verarbeitet werden kann. Schon seit dem Frühjahr 2022, als die Bäume in frischem Grün erstrahlten, ist mit der VAUDE Farley Stretch Pants eine Hose auf dem Markt, die auf Altreifen basiert. Ungefähr fünf solcher Outdoor-Hosen können aus dem Pyrolyseöl gefertigt werden, das Pyrum aus einem einzigen Altreifen gewinnt. Das Potenzial ist angesichts der jährlich anfallenden Menge ausgedienter Reifen riesig. Dabei wird nicht nur der Verbrauch primärer Ressourcen reduziert, sondern auch die Emission von Treibhausgasen.
„Durch das innovative Altreifen-Recycling können wir den CO2-Fußabdruck um mehr als die Hälfte reduzieren.“
Kai Vogt, Abteilungsleiter Innovation bei VAUDE
Gute Gründe also, das innovative Material bei mehr Produkten zu verwenden. Neben weiteren Hosen sind im Laufe des Jahres Jacken und Westen dazugekommen, und weitere Produkte folgen. Ein großer Sprung in Richtung Kreislaufwirtschaft bei Materialien für Outdoor-Bekleidung. Auf zum nächsten Gipfel! Wie wäre es mit einem Ausflug auf die Zugspitze?

Entdecke unsere Produkte mit Materialien aus recycelten Altreifen:
Weitere spannende Produkt-Innovationen:
3D-Druck für Outdoorprodukte bringt Kreislaufwirtschaft näher
https://experience.vaude.com/nachhaltigen-fahrradtaschen-made-in-germany/
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