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Vertriders in Malawi – Wenn aus einem Mountainbikeprojekt ein Baumpflanzprojekt entsteht

Die beste Zeit einen Baum zu pflanzen ist… JETZT!

Zunächst sind wir nach Malawi gereist, um ein unvergessliches Bikeabenteuer zu erleben, zurückgekommen sind wir mit einer investigativen Umweltdokumentation über die massive Abholzung und eine beispiellos gescheiterte Aufforstungskampagne, dann sind wir zurückgekehrt nach Malawi und haben ein Lehmofenprojekt aus dem Boden gestampft und jetzt pflanzen unsere Freunde dort Bäume an und nennen sich Friends of Valentino. Aber alles der Reihe nach.

Wer uns kennt, der weiß, dass wir unsere Art des alpinen Mountainbikens über alles lieben und es kaum eine Reise gibt, auf der wir nicht unsere Räder mit im Gepäck haben. Wer uns besser kennt, der weiß auch, dass wir uns nicht nur für die sportlichen Möglichkeiten fremder Länder begeistern, sondern ebenso die Kultur des Landes und die Menschen sehr schätzen. So kann es dann schon vorkommen, dass wir eine geplante spektakuläre Gletschertour in Neuseeland mit unseren Bikes nicht antreten, weil die lokale Bike Community uns darum bittet, es nicht zu tun. Oder wie in Malawi, dort wurden wir von einer Dorfgemeinschaft gebeten, ihnen dabei zu helfen ihre Bäume zu schützen.

Dorfbewohnerinnen von Tchete bereiten den Boden für die Baumsetzlinge vor.

Mit einem Filmteam sind wir 2015 in das kleine Binnenland in Südostafrika gereist, um die Befahrung bisher noch unbekannter Trails am Mount Mulanje Massiv zu dokumentieren. Während den Filmaufnahmen konnten wir jedoch die unübersehbaren Folgen der unkontrollierten und illegalen Abholzung nicht ausblenden. Malawi verliert jährlich fast drei Prozent seiner Wälder und hat damit eine der höchsten Entwaldungsraten der Welt. Die zunehmende Brennstoffknappheit lässt zudem die Preise für Holz und Kohle horrend ansteigen und das in einem Land, in dem 40 Prozent der Bevölkerung von weniger als einem Dollar am Tag leben. Unser Plan einfach nur mit einem spektakulären Mountainbikefilm mit schönen Landschaftsaufnahmen nach Hause zurückzukehren, schien für uns unter diesen Bedingungen nicht mehr umsetzbar.

Baumsetzlinge, die auf das Auspflanzen warten. Insgesamt wurden an drei Tagen 1905 Setzlinge ausgepflanzt.

Die kleinbäuerlichen Familien sind in einem Teufelskreis gefangen. Wenn die Ernte schlecht ausfällt, müssen die Menschen Feuerholz und Holzkohle verkaufen, um überleben zu können. Jeder gefällte Baum führt aber dazu, dass ihre Felder zunehmend ungeschützter Wind und Wetter ausgesetzt sind. Zusammen mit den Folgen des Klimawandels trifft es die Kleinbauern, die hauptsächlich vom Maisanbau leben, besonders hart. Daher sind wir 2017 nach Malawi zurückgekehrt und haben in Tchete, einem kleinen Dorf ohne fließend Wasser und Strom am Fusse des Mount Mulanje Massivs das Lehmofenprojekt „ Alevi Stove Production“ initiiert. In dem Dorf leben 500 Familien, von denen alle auf offenem Feuer kochen. Unser Ansatz war, den Holzverbrauch zu minimieren, indem wir den Dorfbewohnern die Möglichkeit geben, selbst kleine rauchfreie Lehmöfen ohne Einsatz von Strom, Holz und Kohle herzustellen, die nur noch ein Fünftel der üblichen Brennholzmenge benötigen.

Das Wasser zum Gießen der Setzlinge wird wie sonst auch alles auf dem Kopf transportiert.

Seitdem sind schon wieder drei Jahre vergangen, die Lehmofenproduktion ist noch auf Kurs, wenn auch in einer holprigen Schlangenlinie. Immer wieder gibt es Rückschläge, zunächst haben sich die Termiten über die Holzwände hergemacht, dann sind der Schubkarren und ein Sack Zement Opfer eines Einbruchs geworden, Hochzeiten und viele Todesfälle sorgten zwischenzeitlich für einen kompletten Stillstand, dennoch ging es immer wieder unerwartet auch einen Schritt voran. Trotz alledem sind die Dorfbewohner stolz darauf, dass sie die Möglichkeit haben, nachhaltiger mit der Ressource Wald umzugehen. Der Verkauf der Lehmöfen wirft mittlerweile etwas Geld ab, sodass sie die Chance ergriffen haben, auch eigene Initiativen zu starten. So haben sie eigenständig eine Baumschule aufgebaut und verkaufen nun zusätzlich zu den Lehmöfen auch Baumsetzlinge. So langsam scheint das wirtschaftliche Leben in Tchete eine etwas geradlinigere Fahrt aufzunehmen.

Es wurde ein Areal in der Nähe des Dorfes gewählt, damit sie die Setzlinge besser pflegen können.

Doch dann kam Covid 19, ein Virus, das keine Grenzen kennt, das keinen Unterschied zwischen Arm und Reich macht. Für ein Land wie Malawi, das zu den ärmsten Ländern der Welt gehört, in dem die arme Bevölkerung weder über Seife noch fließend Wasser verfügt, scheinen die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geforderten Massnahmen des regelmäßigen Händewaschens wie blanker Hohn. Zudem ist das Sozial- und Gesundheitswesen vor allem im ländlichen Bereich vollkommen unzureichend. Gleichzeitig ist das Virus auch existenzbedrohend, denn besonders die Tagelöhner leben vom täglichen Verkauf auf der Straße oder dem Markt und wer schon mal auf einem afrikanischen Markt war, der weiß, dass es schier unmöglich ist die Ein-Meter-Regel einzuhalten. Die Dorfbewohner von Tchete erleben dies alles hautnah, die täglichen Einnahmequellen sind weggefallen, die Lehmofen Produktion musste eingestellt werden, niemand kauft Baumsetzlinge.

Die Frauen sind bereit für das FOV Baumpflanzprojekt, im Hintergrund die Lehmofenproduktionsstätte.

Während die Bevölkerung in Afrika aktuell noch immer stark bedroht ist, haben sich hier in Europa bereits einige Länder dem viralen Würgegriff erfolgreich entwinden können. Die ersten Lockerungen wurden angekündigt, die Grenzen standen kurz vor der Öffnung. Und da, an dem langen Fronleichnam Wochenende macht mein Smartphone in kurzen Staccati mehrmals auf sich aufmerksam. Nach und nach trudeln Whatsapp Nachrichten von Duncan herein, Videos und Bilder, die die Dorfbewohnern von Tchete beim Baumsetzlinge pflanzen zeigen. Duncan war 2015 unser Guide und ist seitdem unser Ansprechpartner, er ist der einzige im Dorf, der sich mit einem PC auskennt. Er schreibt uns Monat für Monat einen Report und hält uns über den Stand des Lehmofenprojekts, das Dorfgeschehen und die Politik am Laufenden.

Ducan, unser Communication Manager ist ein großer Fan von VAUDE 🙂

Aber was hat das alles mit Valentino zu tun? Nun, Valentino kümmert sich mit seinen 11 Jahren bereits nachhaltiger um unsere Erde als manch Erwachsener. Er isst vegan und kompensiert seine CO₂-Emissionen regelmässig. Und er ist ein leidenschaftlicher Scratch Programmierer, sein aktuelles Playgame “Plant a tree“ findet großen Anklang in der Community.

Valentinos Spiel: Plant a tree

Anfang Juni hat Valentino mein Smartphone ebenfalls in knapper Folge mehrmals zum Klingeln gebracht. Er hat uns um Rat gefragt, denn er wollte, dass zu seinem Geburtstag ausschließlich Bäume für eine bessere Welt gepflanzt werden. Da lag es für uns nahe, ihm die Baumschule der Leute aus Tchete vorzuschlagen. Nach Beratung mit Duncan und dem Dorfältesten ist daraus das Friends of Valentino (FOV) Baumpflanzprojekt entstanden, auf das er zu Recht stolz sein könnte, aber dafür ist er viel zu bescheiden. Durch dieses Projekt wurde den Menschen in Tchete das gegeben, was gerade in diesen prekären Zeiten am meisten fehlt: Geld und die Hoffnung auf bessere Zeiten.

„People chose Cassia and mango trees to be grown for shade, firewood and manure as well as fruits especially mangoes, this gift is unforgettable to Tchete people.“ – Duncan Chikwita.

„We are going to use the money wisely in these bad days of corona virus by buying soap and give freely to elderly people to prevent covid 19 because these groups of people at risk most, but still the other money will be used at the Alevi production.“ – Duncan Chikwita.

„People were very happy by saying Valentino woods! Happy birthday Valentino while planting the seedlings, it was an amazing function. If there could be other people like Valentino, we will be available to do so any work to conserve nature.“ – Duncan Chikwita.

Jeder kann mithelfen, ob klein oder groß.

 

Zusätzlicher Lesestoff: Returning to the Cedarwood Trails

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Soft Facts

  • Malawi ist, abgesehen von Dänemark, weltweit das einzige Land, das Carlsberg Bier braut.
  • Bis 1994 war Frauen das Tragen von Hosen gesetzlich verboten.
  • Madonna hat neben 4 Kinder aus einem malawischen Waisenhaus adoptiert.
  • Von 2012 bis 2014 regiert Joyce Banda als erste Präsidentin das Landes –  als zweite Frau an der Spitze eines afrikanischen Staates überhaupt.
  • Der Anteil der Frauen im Parlament liegt mit 18 Prozent über dem weltweiten Schnitt.
  • Am 2. Montag im Oktober ist Muttertag.
  • Die Gleichberechtigung der Frau ist in der Verfassung festgelegt.
  • Die Bevölkerung lebt sehr einfach, weshalb Gegenstände wie Digitalkameras und Smartphones große Zuschauermengen anziehen.
  • Es gibt eine Anti-Korruptionsbehörde, viele Hilfsorganisationen.

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Hard Facts

Hauptstadt: Lilongwe
Amtssprache: Chichewa, Englisch
Einwohnerzahl: 17,4 Millionen
Religion: Christentum (83 %), Islam (13 %)
Städtische Bevölkerung: 16 %
Lebenserwartung: 54,8 Jahre

Währung: Malawi-Kwacha (Mk), 1000 Kwacha sind 1.21 EUR (Stand Juni 2020). Da es keine größeren Banknoten gibt, müssen teurere Geschäfte mit Bündeln von Banknoten, teilweise mit ganzen Taschen oder Koffern voll Scheinen abgewickelt werden.

Klima: In Malawi herrscht subtropisches Klima. Von November bis April ist es regnerisch bei Temperaturen zwischen 19 und 32 Grad, und von Mai bis Oktober wird es zwischen 14 und 24 Grad warm.

Sitten & Gebräuche: Die bislang vor allem für Frauen strengen Bekleidungsvorschriften sind inzwischen aufgehoben. Dennoch ist im Allgemeinen eher zurückhaltende Kleidung angebracht. Lange Haare bei Männern (über dem Hemdkragen) sind ungern gesehen.

40 Prozent der Bevölkerung lebt von weniger als einem Dollar am Tag. Das Monatsgehalt eines angestellten Kochs beträgt ca. 35 Euro, ein Lehrer verdient ca. 75 – 95 Euro pro Monat. Ein Träger verdient 20 US Dollar, ein Guide 25 US Dollar am Tag.

Malawi gehört gemessen am Pro-Kopf-Einkommen der Bevölkerung zu den ärmsten Ländern weltweit.

Sozial- und Gesundheitswesen sind vor allem im ländlichen Bereich vollkommen unzureichend; mehr als 10 % der Bevölkerung sind mit der Immunschwächekrankheit Aids infiziert, die Kindersterblichkeitsrate beträgt hohe 10 %. Trotzdem wächst die Bevölkerung jedes Jahr um rund 2 %, fast die Hälfte der Malawier ist jünger als 15 Jahre. 63 % der Bevölkerung Malawis können lesen und schreiben.

Dorfbewohner dürfen sich Baumsetzlinge auch für den Privatanbau holen.


Text:
Sylvia Leimgruber
Fotos: Duncan Chikwita

Comments

One Comment
  1. 3 years ago by Ulrich Kirchenbauer
    Hallo, ich habe den Artikel sehr interessiert gelesen. Wir haben selbst einen Hilfsverein für Malawi "Malawihilfe Schönwald e.V." und unterstützen dort Schulen und Krankenhäuser. Wir haben seit Ende 2019 auch schon rund 500 Lehmöfen gekauft und gegen einen Unkostenbeitrag an die Bevölkerung ausgegeben (Kapiri in der Provinz Mchinji)- Da eine unserer Ansprechpartnerinnen dort ein eco-women Projekt betreibt, bei dem Frauen ohne Schulbildung Lesen, Schreiben, Nähen und Gartenbau beigebracht bekommen, mit der Frage um Unterstütung beim Pflanzen von 5.000 Bäumen auf mich zukam, habe ich mich auf die Recherche gemacht und Ihren interessanten Artikel gefunden. Da wegen Corona dieses Jahr keiner von uns -wie in den letzten 10 Jahren sonst regelmäßig üblich- persönlich nach Malawi konnte und auch das Spendeaufkommen im Augenblick sehr schleppend ist, müssen wir versuchen, die Leute in Malawi zu vernetzen. Daher meine Frage, ob es Kontakdaten zu den genannten Betreuern in Malaiw gibt, bei denen sich Schwester Patricia erkundigen könnte? Oder haben Sie noch andere Ideen? Wir denken, dass es nicht einfach damit getan ist, Geld für Bäume zu spenden, sondern das muss ja fachlich betreut werden. Falls das alles nicht gehen sollte, sage ich einfach nochmals Danke für die Hilfe für die Menschen in Malawi. Wer dort war weiß, warum es "the warm heart of Africa" genannt wird.
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