Diesen Winter herrschte leider wenig Übereinstimmung zwischen meinem Kopf und meinem Körper.
Traum war/ist es, schönsten Powder zu genießen;
Ziele der Saison: unterschiedliche Skiprojekte zu verwirklichen;
Ärztliche Diagnose: Bandscheibenprotusion mit Nervkontakt.
Träume und die damit verbundenen Ziele – das ist es, was uns antreibt in der Ausübung unserer Leidenschaft.
Dinge mit denen ich mich grundsätzlich gerne beschäftige waren plötzlich nicht mehr möglich und meine Energie wurde in die Regeneration investiert. Schritt für Schritt! Kopfterror pur!
Nach sechs Monaten in dauerhafter Begleitung von Schmerzen, war die Freude mit dem Erstkontakt von Fels unglaublich groß. Ich hatte das Gefühl von Freiheit, frischer Luft, körperlicher Auslastung und ein Stück weit Gesundheit nie mehr wertgeschätzt als in diesem Moment.
Statt dem geplanten Trip im Norden Ski zu fahren, stand jetzt ein ungeplanter Klettertrip im Süden auf dem Programm.
Die Rückenverletzung trieb mich dieses Jahr früher als üblich zum Sport- und Alpinklettern.
Anfang April ging unser Trip los – der Balkan stand auf dem Plan – mehr nicht. Wir machten uns auf den Weg und ließen uns inspirieren von den Eindrücken, die der Weg mit sich brachte.
1.Stop: Kroatien
Wasserrillen und Tropflöcher soweit das Auge reicht, dazu bis zu 300m hohe Wände und natürlich das Meer. Der Klettertraum hat einen Namen – Velebit oder genauer Paklenica.
Das persönliche Highlight war unsere Begehung von Anica Kuk. Ganz hinten in der Schlucht thront das Massiv mit den längsten Routen des Gebiets. Wir entschieden uns für eine leichte Plaisierroute zum Einstieg und dachten uns es wäre schön in der Sonne zu klettern. Weshalb wir erst am Nachmittag in die Westwand einstiegen. Die 260m lange Route hatte sehr sportliche Hakenabstände und die Einstufung der Schwierigkeit hätten wir vermutlich anders eingeschätzt – eine gemütliche Aufwärmtour hatten wir uns jedenfalls anders vorgestellt – doch die Anstrengung wurde mit einem wunderschönen Sonnenuntergang am Gipfel belohnt und hat große Lächeln in unsere Gesichter gezaubert. Der quälende Abstieg erwähne ich im Bericht unseres schönen Trips mal lieber nicht…
Aufgrund der regnerischen Wetterbedingungen führte uns unser nächster Stop relativ schnell weit südlich von Albanien. Auf der Suche nach besonders schönen Buchten und bestenfalls mit Kletterpotential, fanden wir die selten begangenen Kalkwände von Gjipe Beach. Ein weißer Kieselsteinstrand bildet den breiten Eingang in eine Schlucht, die sich immer tiefer und enger in das Landesinnere hineingräbt. Links und rechts des Bachbettes ragen Felswände bis zu 100m gen Himmel.
Willkommen im Garten Eden
Frischwasser, türkisblaues Meer, Orangen,- und Feigenbäume, traumhafte Kletterei, ein paar Ziegen und die Gesellschaft des Albaners Arben mit seiner Katze Jhonny übertrafen all unsere Erwartungen vom Paradies. Mit mehr als 70 Sportkletterrouten (6a aufwärts), den Sektoren Pfeiler, Ladi, rote Wand, Rio, Ahorn und Mare haben einige Südtiroler gute Arbeit geleistet. Raki zum Frühstück, traumhaft abwechslungsreiche Kletterei an bombenfestem Kalkgestein und ein Abendbad in kristallklarem Wasser, ließen die Tage schnell an uns vorbei ziehen.
Nächster Halt: Meteora
„Holy Moly“ – verrückte, wunderbare Welt. Wie aus dem nichts ragen plötzlich etwa 170 Konglomerattürme mit bis zu 300m in die Höhe. Im 11. Jahrhundert zogen sich hierher die ersten Einsiedler zurück und genossen die außergewöhnliche Landschaft östlich des Pindos Gebirge. Heute zieht das Gebiet Kletterer an, um an Kieseln, in Verschneidungen und an Rissen in jeder Breite – vorbei an unzähligen Höhlen – die beeindruckenden Türme zu erklimmen. Besonders eindrucksvoll bleibt die Kletterei an der Spindel in Erinnerung – dem Phallussymbol, das verwunderlicher weise nicht umfällt.
Sinter, Strand und gutes Essen erwartete uns in Leonidio, einer kleinen Stadt an der Ostküste der Peloponnes Halbinsel. Auf dem größten griechischen Festlandgebiet warten hier über 50 Sektoren in allen Schwierigkeiten, Längen, Felsqualitäten und Ausrichtungen auf Kletterer. Unsicherheit aufgrund meiner Verletzung hatte mich bisher stets auf meinen Routen begleitet. Aber so langsam kam die Sicherheit und Kraft zurück. Da war Leonidio ein willkommener Spielplatz um den Kontakt zum Fels ein wenig zu intensivieren. Besonders der Sektor Mars, ein Paradies aus Sintern, Tufas und Stalaktiten, ließ meine Ärmchen aufpumpen und brachte uns zum Jauchzen. Yamas mit Fix auf den Erfolg der Regeneration.
Wir genossen die Zeit in der tollen Klettercommunity von Leonidio und doch zog es uns weiter ins Hinterland der Peloponnes. Das einsame Paradies Kyparisi an den felsigen Hängen des Mount Parnon ließ uns staunen. Wer die katastrophalen Straßen als Herausforderung annehmen , über den Gestank der zahlreichen Schafe hinwegsehen und die Einsamkeit genießen kann, wird sich hier sicher wohl fühlen. Morgens wurden wir vom Fels in Schach gehalten – Überhänge, steile Wände und feine Lochkletterei gab es zum Frühstück. Zu Mittag Klippen springen und abends hofften wir auf leckeren Fisch am Lagerfeuer. Das mit der Flamme hatten wir geschafft, der Umgang mit der Angelroute war noch ausbaufähig – dann halt doch Nudeln mit Pesto!
Das Ende unserer Reise nahte – „last but not least“ – Lagada. In der Nähe der von Legenden umwobenen Stadt Sparta, befindet sich dieses Kletterjuwel. Der Felsen liegt versteckt zwischen Bergwiesen und Kiefernwälder des majestätischen Tayygetus, dem höchsten Berg der Peloponnes. Es erwartete uns eine raue Landschaft mit frischer Luft und einer bunten Vielfalt an hübschen Vögeln. Wir nisteten uns in einer kleinen, aber sehr feinen Schutzhütte ein, schindeten unsere Körper an kompakter Leistenkletterei und verabschiedeten uns mit feinstem Sinter – Höhlenkletterei.
„Tschüss schönes Hellas“. Wir freuten uns noch über einer letzte schöne Mehrseillängen-Tour in Varasova, bewunderten den Blick aufs Meer und sagen „ευχαριστώ την Ελλάδα για τον καλύτερο χρόνο.“
Bildergalerie:
Text und Fotos: Janine Tschanhenz
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