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Swiss Epic 2019

In Sekunden schoss mir durch den Kopf, was das bedeutete: Als „Young Gun“ konnte ich mit Daniel Geismayr eines der anspruchsvollsten Etappenrennen in Europa bestreiten.Mit Dani, aktuell einer der besten Marathonfahrer der Welt, der vier der bisher fünf Swiss Epics gefahren war und immer auf dem Podium beendet hatte!

Klar, sah ich die Chance. Klar, sagte ich zu. Und klar, dass ich wahninnig angespannt war, als wir in Davos ankamen, dem Start- und Zielort des diesjährigen Rennens. Ich wollte das Vertrauen, das ich mit der Nominierung bekommen hatte, unbedingt mit einer guten Leistung bestätigen.

Am ersten Tag wartete mit einem 90 Kilometer-Teilstück gleich die längste Etappe auf Dani und mich. Es

war sehr schlechtes Wetter vorausgesagt, und als um 7:30 Uhr der Startschuss fiel, regnete es in Strömen, und die Temperatur lag bei gerade mal acht Grad. Noch nie zuvor war ich bei einem Rennen mit Regenhose und Regenjacke gefahren, aber hier war es gar nicht anders möglich.

Wir fuhren an diesem Tag über den Albulapass nach St. Moritz. Die Intensität war sehr hoch, die Höhe machte mir zu schaffen, und nach einer langen Abfahrt über den „Albulatrail“ ging es nochmal 20 Kilometer das Engadin hoch ins Ziel. Ich war total ausgelaugt und Dani musste mich im Windschatten das Tal hinauf ziehen. Wir kamen an diesem Tag als siebte ins Ziel, mir war kalt, ich war erschöpft und wusste nicht, ob ich diese fünf Tage durchstehen würde.

Am zweiten Tag ging es mir ähnlich, das Wetter war wieder schlecht und ich musste kämpfen, um wieder als siebter das Ziel zu erreichen.

In der Feedzone am ersten Tag (Bild: Marius Holler)

 

Am dritten Tag hatte es entgegen der Vorhersagen aufgeklart. Ich fühlte mich besser als an den Tagen zuvor, und wir waren wieder über den Albulapass in Richtung Lenzerheide unterwegs. Den ersten Anstieg fuhr ich konservativ, um auf keinen Fall zu riskieren, am Schluss wieder einzubrechen wie am ersten Tag. Als es in den zweiten langen Anstieg ging, an dessen Ende das Ziel war, wurde uns als achtem Team eine Minute Rückstand auf die Spitze gemeldet.

Ich fühlte mich gut, dachte nicht viel nach und fuhr so schnell ich konnte in den Anstieg hinein. Nach kurzer Zeit sahen wir das erste Team vor uns. Dani motivierte mich, ich schaute nur nach vorne und es dauerte nicht lange, dann hatten wir sie eingeholt. Bald darauf sahen wir das nächste Team vor uns, kamen näher und holten auch dieses ein. Am Ende des Anstiegs fuhren wir als Tagesvierte durchs Ziel. Dort warteten schon unsere Betreuer, die das Rennen natürlich verfolgt hatten und uns euphorisch in Empfang nahmen. Im Zielraum schien die Sonne.

Die vierte Etappe mit Start und Ziel in der Lenzerheide war mit 48km verhältnismäßig kurz. Das Tempo war daher von Anfang an sehr hoch, ich befand mich am Ende der Spitzengruppe und auf dem ersten Trail übersah ich, dicht hinter meinem Vordermann fahrend einen spitzen Stein und holte mir einen Platten. Dani war weiter vorne, ich rief laut nach ihm und zum Glück hörte er mich. Ich schoss eine CO2-Kartusche rein, doch der Schnitt im Reifen war zu groß, die Dichtmilch konnte das Loch nicht schließen. Nach kurzer Zeit mussten wir nochmal anhalten und den Reifen mit einem Plug, einer Art Stopfen, reparieren. Gottseidank war Dani dabei. Er reparierte den Reifen schnell und ohne Hektik – nach weniger als zwei Minuten konnten wir weiterfahren. In den ersten von zwei langen Anstiegen fuhren wir sehr schnell hinein, oben angekommen waren wir schonwieder Sechste.

Tag 3: Das Wetter wird besser (Bild: Sam Clark)

 

In der anspruchsvollen Abfahrt hielt mein reparierter Reifen glücklicherweise. Dann ging es in den zweiten langen Anstieg, auf dem wir circa 900 Höhemeter bewältigen mussten. Danach wartete nur noch eine Abfahrt ins Ziel auf uns.

Nach ungefähr einem Drittel des Anstieges waren wir auf die nächste Gruppe aufgefahren. Sie bestand aus drei Teams. Ich fühlte mich stark und bald hatten wir tatsächlich eine Lücke auf sie herausgefahren. Am Ende des Anstiegs hatten wir mehr als eine Minute Abstand nach hinten. Wir überstanden die Abfahrt trotz eines kleinen Sturzes von Dani und kamen als Tagesdritte ins Ziel. Ich konnte es kaum glauben. In der Gesamtwertung waren wir auf Platz vier vorgerückt.

Jetzt mussten wir nur noch die letzte Etappe überstehen. Sie führte uns von Lenzerheide erst hinunter in das Albulatal und dann aus einer Höhe von unter 1000 Metern bis auf 2130 Meter über den Meeresspiegel, bevor es auf die letzte Abfahrt der Rundfahrt ins Ziel nach Davos ging. Das Wetter war schön, und nachdem es an den zwei Tagen davor so gut gelaufen war, fühlte ich mich befreit von jedem Druck. Trotzdem war auch dieser Tag wie alle anderen ein hartes Stück Arbeit.

Mit etwas Abstand nach vorne, der durch Attacken in der Abfahrt entstanden war, die wir nicht hatten kontern können, gingen wir in den Anstieg. Die Italiener vom Team Trek-Selle San Marco hatten in der Gesamtwertung nur 27 Sekunden Rückstand auf uns, und wir lagen zu diesem Zeitpunkt gut anderthalb Minuten hinter ihnen. Doch wir kämpften uns auch durch diesen langen Anstieg und schafften es tatsächlich, kurz vor der Kuppe den Anschluss herzustellen. Vorne hatten sich zwei Teams absetzen können, die in der Gesamtwertung weit zurück waren. Wir ließen die Italiener in der letzten Abfahrt hinter uns und konnten erneut einen dritten Platz einfahren. Im Ziel war ich sprachlos und überglücklich. Was für eine Woche.

Dani und Vinzent im Ziel in Davos (Bild: Marius Holler)

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