2015 wurde das Projekt „Ski for Freedom“ in Pakistan erstmals ins Leben gerufen. Die Idee entstand aus einer Bekanntschaft zwischen dem Berg,- und Skiführer Stephan Keck und dem pakistanischen Bergsteiger und Gründer von „Pakistan Youth Outreach“ (PYO), Mirza Ali. „Ski for Freedom“ ist heute Teil von PYO.
Die Organisation möchte jungen Frauen und Männern durch Erlebnisse im „Outdoor“-Bereich ihre Stärken und Schwächen aufzeigen, sodass sie lernen Probleme aus eigener Kraft zu bewältigen. Ein besonderer Fokus liegt auch im „Woman-Empowerment“, hier werden vor allem die jungen Mädchen gefördert. 2015 sammelte die Hilfsorganisation „Step0.1“ (Ski-)Ausrüstung und versendete diese nach Islamabad. Im ersten Jahr war Stephan K. persönlich im Shimshal Valley um das Skiprojekt aufzubauen. Im Folgejahr waren die beiden Skiguides Andreas Gumpenberger und Stefan Ager vor Ort. 2017 fand das Projekt bereits das dritte Jahr statt und davon möchte ich nun berichten.
Mitte Januar starteten Johannes als Kameramann, Gumpy und Ich als Skilehrer von München nach Islamabad. Von dort ging es über den Karakorum Highway nach Norden, in die Region „Baltistan“. Bei einem Zwischenstopp in dem Bergsteigerdorf „Karimabad“, Hunza genossen wir ein letztes Mal Luxus der Zivilisation. Schließlich ging es dann weiter ins Shimshal Valley. Der Weg dorthin war eine sehr beeindruckende, aber auch nervenaufreibende Fahrt am Rande eines Abgrundes.
Im Shimshal angekommen tauchten wir endgültig ein, in die Welt der hohen Berge. Im äußersten Norden Pakistans treffen mit dem Hindukusch, dem Karakorum und dem Himalaya die drei höchsten Gebirgszüge der Erde zusammen. Fünf der weltweit 14 Achttausender liegen auf pakistanisch kontrolliertem Gebiet.
Es erwartete uns eine unglaublich faszinierende Landschaft. Wir wurden herzlich von Mirzas Familie empfangen und freuten uns nach der mehrtägigen Anreise am Ziel angekommen zu sein. Nach dem traditionellen „Milktea“ hauten wir uns in die Federn und waren gespannt auf die kommenden Tage.
Als wir morgens aufwachten, sahen wir wie unser Atem in der Luft kondensierte. Beim anschließenden Toilettenbesuch wurde man von einer Herde Schafe begleitet. Da bekamen wir so langsam eine erste Vorstellung, wie so ein Leben hier oben im Bergdorf aussah. Das tägliche Wasser holen am Fluss und Holzhacken stand an der Tagesordnung der Dorfbewohnerinnen.
Dorfbewohnerinnen? Die Frauen in Pakistan arbeiten hart… aber zuhause. Die Benachteiligung von Frauen ist noch immer gravierend. Sowohl das öffentliche Leben als auch Familienangelegenheiten werden weitestgehend von Männern bestimmt. Eine Zwangsehe ist in Pakistan eine übliche Praxis. PYO legt, wie bereits erwähnt, einen besonderen Fokus auf den Bereich „Woman Empowerment“. Mit Samina Baig, der ersten pakistanischen Frau und ersten Muslimin, die die „Seven Summits“ bestiegen hat, hat die Organisation eine sehr starke Frau als Idol für die jungen Mädchen gefunden. So war es besonders spannend, Samina Baig als Begleitung dabei zu haben.
„Die An- und Abreise brachte ein mulmiges Gefühl mit sich. Plötzlich wurden die Stewardessen im Flugzeug, durch Stewards ersetzt und die Frauen schienen wie vom Erdboden verschluckt. Als Einzige Frau im Flieger konnte ich es kaum mehr glauben. Die 18h Fahrt von Islamabad über die Region „Kohistan“ nach „Balitstan“ verstärkte den ersten Eindruck. Wo sind denn all die Frauen geblieben? Mit dem Übertreten der „Grenze“ in die nördliche Region konnte ich meine Kapuze wieder ablegen und freute mich über weibliche Gesichter in schönen bunten Gewändern.“
Unser erster Tag in Shimshal brach an und die Vorfreude auf das Skicamp wurde durch deutlichen Schneemangel vorerst getrübt. Das Skicamp musste für den heutigen Tag verschoben werden und wir waren irgendwie ratlos. Die Skitaschen blieben unberührt in der Ecke liegen, stattdessen gingen wir Trekken und nutzen die Zeit um das Dorf und die Einwohner kennen zu lernen.
Mit Gastfreundschaft vom Allerfeinsten wurden im gesamten Dorf aufgenommen. Ob Jung oder Alt, die Dorfbewohner freuten sich über den seltenen Anblick von uns als Ausländer. Wir erfuhren, dass die Gemeinde bis zum Jahr 2003 von der Außenwelt abgeschottet war und nur zu Fuß erreichbar war. 18 Jahre harte Arbeit und Zusammenhalt der Bewohner machten erst den Straßenbau und somit den Anschluss zum Rest der Welt möglich. Im Nachhinein war der Tag ohne Skier, das Beste was uns hätte passieren können. Wir wollen die wertvolle Zeit mit den Bewohnern nicht missen.
Da wir aber eigentlich für den Schnee angereist waren, hatte sich die „Frau Holle“ gedacht, so bin ich nun auch wieder nicht und ließ es für uns schneien. Kurzerhand kamen die Campteilnehmer, Köche, Mountainguides und weitere Helfer zusammen. Schwerbepackt ging der anstrengende Weg zum Basislager auf 4000hm los. Die Kids ließen uns staunen und ernteten unsern vollsten Respekt. Bei eisigen Temperaturen, die Rucksäcke voll bepackt mit Skiern, Skischuhen, Schlafsäcken, Matten und warmer Kleidung, bestritten sie voller Energie und ohne Jammern den anspruchsvollen Aufstieg.
Oben angekommen, erwarteten uns zwei Steinhütten. In der einen Hütte wurde geschlafen und in den anderen Räumen spielte sich das Leben ab. Dort wurde sich aufgewärmt, gekocht, gespielt, gesungen, getanzt und zusammengekuschelt. Jedoch kam einem beim Reinkommen ein beißender Geruch von Rauch, Gas und Benzin entgegen, sodass man sehr schlecht Luft bekam und man lieber draußen die frische Luft genießen würde. Allerdings war es deutlich wärmer in der Hütte als draußen.
Die Motivation und Power der Kids ließ auch nicht beim Skifahren nach. Trotz mittelguter Schneeverhältnisse hatten sie von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang ihre Skier an und übten fleißig. Sehr viele Mädchen waren mit Team, das hat uns natürlich besonders erfreut. Der Skikurs lief ganz klassisch ab. Zum Aufwärmen wurden Spiele wie: „Who is afraid of the Janilla Monster?“ gespielt. Nach dem ersten Gewöhnen an das Gerät hieß es Bremsen lernen. „Snoow- Plooow!“ Anschließend wurden schon die ersten Kurven gefahren und natürlichen durften kleine Schanzen auch nicht fehlen. Der einzige Unterschied zum Skikurs im Ländle, der Skilift fehlt! Völlig ausgepowert, aber zufrieden beendeten wir den Skikurs.
Mirzas Traum wäre es in naher Zukunft einen Pakistanischen Olympiateilnehmer im Skifahren am Start zu haben. Die „Karakorum Snow Leopards“, so nennt sich der Shimshal Ski Club, trainieren daher auch in unser Abwesenheit fleißig. Für uns hat dies nur sekundär einen Stellenwert. Unsere Intention den jungen Mädchen und Buben Sport und Spaß näher zu bringen und die damit verbundenen positiven Nebeneffekte zu erzielen, war ein voller Erfolg. Die Jugendlichen sind aktiv und durchlaufen einen Prozess der Körper, Intellekt, Gefühl und alle Sinne einschließt.
Besonders positiv waren auch die intensiven Gespräche mit den Mädels über ihre persönlichen Ziele und Träume. Gerade im Hinblick auf die klassische Rolle der Frau in Pakistan sehr außergewöhnlich ist. Die Bergsteigerin Samina Baig hat eine sehr starke Vorbildfunktion für die Mädels und bestärkt sie in ihrem Willen, Initiativen zu ergreifen um ihre Zukunftsvorstellungen zu verwirklichen. Erfreulicherweise konnten wir beobachten, wie viele Mädchen diesbezüglich, von ihren Vätern und Brüdern, unterstützt wurden.
Das Camp war also ein voller Erfolg. Nicht nur wir waren happy, sondern auch alle Teilnehmer. Die Zeit in den Bergen Pakistans war intensiv und unvergesslich. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge machen wir uns an den Abstieg. Einerseits freuen wir uns auf eine Wäsche und ein frisches Paar Socken, andererseits gäbe es noch zu viel zu entdecken. Die Region ist in ihrer Schönheit weitgehend unberührt. Mit einem Glas „Hunza Water“ stoßen wir auf die erfolgreiche Zeit an und sagen
الوداع پاکستان
Bildergalerie:
Text: Janine Tschanhenz
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