
Dieses Rennen hat seinen eigenen Charakter!
Es war wieder soweit, das Rennen, das meinen Horizont erweitert hat, stand wieder an: “Les Chemines du Soleil”. Drei Mal habe ich bereits teilgenommen und 2x gab es ein DNF 1x landete ich mit meinem Teamkollegen Andreas Kleiber auf dem Podium. 2x hatten Krankheiten uns zur Aufgabe gezwungen. Dieses Rennen fährt man nicht halbherzig. Wer hier die Ziellinie sehen möchte, gehört zu der härteren Sorte Biker. Es war also auch dieses Jahr wieder ein Rennen mit einem ungewissen Ausgang.
Ein Teamrennen mit einem Nachtprolog und drei schwere Etappen folgen
Auvergne-Rhone-Alpes und La Drome beheimaten Trails, die “Chemines du Soleil” genannt werden und in ihrer Vielfalt ein weitverbreitetes Mountainbikenetz bieten. Dieses Netzwerk nutzen die Veranstalter, seit bereits 17 Jahren, um ein 4-tägiges Rennevent der Extraklasse zu bieten. Das Rennen wird im 2-er Team gefahren und man muss verständlicher Weise Rücksicht aufeinander nehmen, um erfolgreich zu sein.
Es handelt sich um ein Stagerace, das gegenüber klassischen Etappenrennen verhältnismässig günstig ist und jeden Morgen und Abend regionale Speisen trumpft. Aber das wirklich Besondere, ist der sehr heftige Nachtprolog.
“La Chapelle en Vercors – Chatillon en Diois – Veynes – Gap” malerische und typisch französische Etappenorte mit Herz und Charme aber gnadenlosen Trails
La Chapelle en Vercors – Ein Ort, der wie hier so oft, zeitlich im Mittelalter stehen geblieben ist und eine gewisse Ruhe ausstrahlt. Wir lagen nach einer langen Anreise im Zelt, das für die Folgenächte unsere Unterkunft sein sollte. Es war noch reichlich Zeit bis zu diesem Nachtprolog. Zeit, die dennoch schnell verging. Pünktlich um 21.30 Uhr wurden die 80 Teams auf die Strecke entlassen. Die Teilnehmer waren ausgerüstet mit einer Warnweste und mit reichlich Licht. Obligatorisch ist die Rettungsdecke. Sie fand bei mir in den Folgenächten ihren Nutzen. Mein sommerlicher Schlafsack war den einstelligen Temperaturen nicht gewappnet. Der Nachtprolog war ein prägender Einstieg und gab bereits den Vorgeschmack auf das, was auf die Teilnehmer noch zukam, Trails der schweren Sorte. Die Wege waren ausgesetzt, die Steine und Wurzeln rutschig.
Der Prolog dauerte bei uns über 90 Minuten. Mit Radwaschen, duschen und Essen, waren wir nicht vor Mitternacht im Zelt. Zeit, um sich ausgiebig von den Strapazen zu erholen, blieb nicht. Um 4.45 Uhr klingelte der Wecker aus einem unruhigen Schlaf. Mein Magen hatte die Nacht und das späte Abendessen nur schlecht verdaut. Aber so wie es mir ging, erging es allen anderen Teilnehmern.

Nach einer fünf Stunden Nacht ist keiner ausgeruht – Aber bereit für Stage Nr. 1
7.30 Uhr erfolgte der Startschuss für die erste von drei langen Etappen. Die Teilnehmer starteten schnell und die Topfahrer hielten auch nach mehreren Kilometern das Tempo extrem hoch. Ich kenne meinen Teamkollegen gut und wir vermieden den roten Bereich, um auch in den Folgetagen eine konstante Leistung abrufen zu können. Die Trails forderten uns nicht nur bergab. Teilweise waren sie auch bergauf so ausgesetzt, dass an fahren nicht zu denken war. Wir freuten uns, dass die Veranstalter uns in dieses Abenteuer geschickt haben und nicht durch Auflagen ausgebremst wurden. Wir fuhren auf Wege, auf denen es in Deutschland sicherlich kein Rennen gegeben hätte. Aber genau das freute die Teilnehmer.
Regionale Köstlichkeiten füllen unsere Speicher reichhaltig auf

Jeden Abend fand ein gemeinsames Abendessen statt. Regionale und ökologisch angebaute Produkte zeichneten die Verpflegung aus. Zudem war unser Weg nach dem Zieleinlauf und Zeltaufbau direkt zum nahegelegenen Restaurant. Wir brauchten Kohlehydrate und eine schnelle Regeneration für die Folgetage.
Mit einem 15er Schnitt fuhren wir, in den Top 5 liegend, am dritten Tag nach Veynes. Das Ziel und der Campingplatz befanden sich direkt an einem kleinen See. Eine willkommene Abkühlung in diesem Stehrevier.
Andreas’ Rad hätte auch eine Regeneration nötigt. Die ruppigen Abfahrten hinterliessen ihre Spuren an Material und Fahrer. So standen wir am letzten Tag mit einer Speiche weniger und zwei geflickten Reifen am Start Richtung Gap.
Wer fährt gewinnt eventuell Sekunden, oder verliert sein Leben

Die Etappe war ein weiterer Höhepunkt. Flowige Trails wechselten sich wiederholt mit ausgesetzten Passagen ab.
Der Veranstalter nahm das Briefing am Vorabend sehr ernst: Wer fährt gewinnt eventuell Sekunden, oder verliert sein Leben. Diese Worte klangen noch lange nach. Wir entschlossen uns fürs Leben und einen vierten Gesamtrang nach einer atemberaubenden Etappe und einem weiteren Finish.

Text: Sönke Wegner
Fotos: Cyril CRESPEAU – RAID VTT 2019
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