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Korsika zu Fuß

Der GR20 auf Korsika gilt als einer der anspruchsvollsten und schönsten Weitwanderwege Europas. Alpines Gelände, unberührte Wälder, Meerblick: dafür muss man rund 14 Tage wandern wollen, 200 Kilometer und 13.000 Höhenmeter. Ein Abenteuer und eine Herausforderung, für Beine und den Kopf.

Mitte Juni, mein Kumpel Mardi und ich landen auf Korsika in Ajaccio und nehmen den Bus nach Porto-Vecchio. Von dort aus geht es nach Conte, dem Ausgangspunkt der ersten Etappe. Anders als der Großteil gehen wir den GR20 vom Süden in den Norden.

Die erste Etappe führt uns durch wunderschöne Wälder und bizarre Granitformationen zum Refuge de Paliri. Am Abend trinken wir am Refuge Bier mit zwei Spaniern, denen wir schon untertags begegnet sind. Die zwei haben große und schwere Rucksäcke und staunen, als wir ihnen erzählen, dass wir nicht einmal zehn Kilo zu tragen haben. Aber wir genau wie sie, autonom unterwegs sind – also mit Zelt, Schlafsack, Isomatte und Gaskocher. Light-Trekking heißt das Zauberwort. Wer seine Ausrüstung klug und mit minimalem Verzicht zusammenstellt, spart am GR20 viel Energie und fühlt sich auf den alpinen Etappen im Norden, bei denen man auch ein bisschen Klettern muss, sicherer.

In Korsika gibt es eines defacto nicht: Forstwirtschaft. Die unberührten Wälder und Wiesen sind wunderschön, die Landschaft mit einem Wort zu beschreiben: wildromantisch. Der Winter 2017/2018 war schneereich, die Flüsse und Bäche führen auch im sonst eher trockenen Süden noch viel Wasser. Um Trinkwasser muss man sich keine Sorgen machen. Immer wieder gibt es Quellen, bei denen man nachfüllen kann. Und Gumpen, in denen man ein erfrischendes Bad nehmen kann.

Am dritten Tag doppeln wir erstmals eine Etappe, wandern über 30 Kilometer. Die letzte Stunde zum Refuge d’Usciolu führt über einen alpinen Grat und fordert uns erstmals so richtig. Schwindelfrei sollte man hier halbwegs sein, trittsicher sowieso. Erschöpft kommen wir spät im Refuge an und schlagen unser Zelt auf. Wir ergattern die letzten Teller Nudeln, danach sperrt die Küche zu.

In den nächsten zwei Tagen gehen wir bis Vizzavona, legen dabei drei Etappen auf zwei zusammen. Auf der Strecke wechseln sich alte Föhrenwälder mit lichten Querungen und spektakulären Aussichten ab. In Capennelle bestellen wir erstmals Essen von der Karte – es tut gut, mal etwas anderes als Pasta zu essen. In Vizzavona erwartet uns eine heiße Dusche am Campingplatz und nach fünf Tagen so etwas wie Zivilisation. Der Ort an der Bahnstrecke hat mehrere Restaurants und Cafes zur Auswahl, wir gucken Fußball-WM am Abend.

Es ist mehr der Kopf, der nicht mehr will.

Wir haben schon gut 110 Kilometer und 6.000 Höhenmeter in den Beinen als wir von Vizzavona Richtung Norden aufbrechen. Es sind weniger die Beine und Füße (mit Ausnahme von einer Blase am großen Zeh) die einem fragen: will ich wirklich noch eine Woche unterwegs sein? Es ist mehr der Kopf, der nicht mehr will. Am ersten Tag des nördlichen Teils steht nämlich gleich eine Doppeletappe, fast 30 Kilometer und über 2.100 Höhenmeter bis zu m Refuge de Petra Piana, an. Der Weg führt über den Pointe Muratello auf über 2.100 Meter Höhe, hinab zum Refuge de l’Onda. Ausgepumpt kommen wir an, morgen wartet eine hochalpiner Weg auf uns. Wir müssen Kräfte sammeln, gehen zeitig schlafen und kuscheln uns in unsere warmen Schlafsäcke.

Am nächsten Tag starten wir um 6 Uhr früh. Am Nachmittag ist Regen angesagt und wir wollen rechtzeitig im Refuge ankommen. Der Weg führt über Altschneefelder und einige Kletterpassagen vorbei an der 2.200 Meter hohen Bocca Muzella bis zum Refuge de Manganu. Blicke auf den Lac de Capitello und die mächtigen Berge weiter im Norden lassen den Tag wie im Flug vergehen. Wieder einmal sind wir über unser leichtes Gepäck froh, es erleichtert das Weiterkommen auf diesem hochalpinen Teilstück des GR20 immens. Kurz nachdem wir im Refuge unser Zelt aufgebaut haben, beginnt es zu regnen. Es gewittert drei Stunden, Blitze schlagen direkt neben uns ein. Das Zelt hat seine erste Bewährungsprobe, und die meistert es. Wir bleiben trocken.

Tag drei im Norden führt uns über den Lac de Nino bis nach Castellu di Vergio. Der Moorsee auf über 1.700 Meter ist wunderschön, am Weg zum See passiert man unzählige Pozzines, blaue Tümpel und Wasseradern, umringt von sattem Grün. In Castello di Vergio schlafen wir erstmals wieder in einem Bett und können wieder heiß duschen – Balsam für den Körper, Balsam für die Seele. Notwendig, denn die folgenden Etappen bis nach Haut-Asco haben es wieder in sich. Sie sind lang, es gilt viele Höhenmeter zu bewältigen, bergauf, wie bergab. Vom Refuge Tighiettu erreichen wir den höchsten Punkt unserer Wanderung. Unterhalb des Monte Cinto zeigt mein Höhenmesser 2.597 Meter an. Wer will, kann den Monte Cinto besteigen. Wir lassen ihn aus, die Fernsicht unterhalb ist genauso gut und unsere Knie werden es uns noch danken.

Die letzten zwei Etappen führen uns zum Gite d’etape Bonifatu und dann entlang des Mari e Monti nach Calenzana. Erschöpft, glücklich und auch etwas stolz steigen wir in Calvi in den Zug, der uns wieder nach Ajaccio bringt. Der GR20 war eine Herausforderung. Und eine Belohnung.

 

Bildergalerie:

 

Mach’s dir leicht

Wenn man soviel am Stück läuft, und alles was man braucht auch selbst tragen muss, dann stellt sich gleich mal zu Beginn die Frage: was nehme ich alles mit? Und: wieviel werde ich zu schleppen haben? Man wiegt sein Equipment, reduziert seine Ausrüstung auf das Wesentliche. Packlisten und Tipps finden sich zuhauf im Internet dafür. Mardi und mir war jedoch auch klar: wir wollen nicht ganz auf Komfort verzichten. Der Schlafsack muss noch wärmen. Das Zelt Platz haben. Und das T-Shirt mal gewechselt werden.

Unter zehn Kilogramm, inklusive etwas Essen und Wasser – mehr sollten unsere Rucksäcke nicht wiegen. Wir haben uns deshalb für folgendes Equipment entschieden:

Rucksack Zerum 38 LW, Schlafsack Rotstein 200 DW, Isomatte Performance 7L, Zelt Invenio SUL 2P, Jacke Men’s Zebru UL 3L.

Hier noch Links zu Zebru und Invenio und von beiden aus unserer Rubrik “Best in Test”.

Dazu Merino-Shirts und Socken, die muss man nicht so oft waschen. Sparen kann man überall – Zahnpasta und Duschgel in der kleinen Tube, das schwere Multi-Tool kann ebenfalls zu Hause bleiben, es reicht ein kleines Taschenmesser. Wer so leicht unterwegs ist und all die Wanderer mit ihren 15 Kilo und mehr schweren 60 Liter Rucksäcken sieht, weiß – man hat schon vor der ersten Etappe viel richtig gemacht.

 

Was man wissen sollte

Der Grande Randonnee befindet sich zu einem großen Teil im Gebiet des Parc de Naturel Regional de Corse. Die einzelnen Etappen sind 5 bis 8 Stunden lang. Wer flott unterwegs ist, kann die eine oder andere Wegstrecke doppeln. Sauberkeit, Ausstattung und Ambiente der Berghütten variiert stark; was immer vorzufinden ist: Essen, Möglichkeit Proviant nachzukaufen, Kochstellen, WC und Duschen (diese meist kalt). Leihzelt und Bett im Refuge muss in der Hauptsaison weit im Voraus gebucht und bezahlt werden. Der Weg ist gut markiert. Der Südteil weniger anspruchsvoll als der Nordteil, bei dem man auf einigen Etappen schwindelfrei und trittsicher sein sollte. Der Ort Vizzavona markiert die Mitte des Trails, hier kann man gut in den Trail ein- bzw aussteigen.

 

Text und Fotos: Daniel Kudernatsch

 

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