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Fritz Miller: Winterbergsteigen in Schottland – und generell

Es war kein guter Winter für Eiskletterer in den Alpen. Vielleicht der schlechteste, seit Alpinisten die Pickel schwingen. Und dennoch darf ich wieder einmal auf einige großartige Klettertage in den Bayerischen und Tiroler Alpen zurückblicken. Jetzt, gerade zurück von einer faszinierenden und sehr eindrücklichen Kletterwoche in den schottischen Highlands, möchte ich ein paar Zeilen schreiben, zum Winterbergsteigen in Schottland und auch in den Alpen.



Schottland hat mich sehr beeindruckt: zum einen wegen seiner faszinierenden Bergwelt, zum anderen wegen der großen Bedeutung, die das Winterbergsteigen hier genießt. Die schottischen Highlands gelten bekanntermaßen als Wiege des modernen Eis- und Mixedkletterns. Winterbergsteigen hat hier Tradition, Skitourengehen ist aufgrund der oft schlechten Schneelage und starken Winde weniger das Thema. Also schnallen sich die Schotten Steigeisen an und besteigen ihre Berge kletternd oder wandernd. Dabei gilt: Ein Tag draußen in den winterlichen Bergen, abseits der Pisten, ist einfach unschlagbar – ganz unabhängig von den technischen Schwierigkeiten des Anstiegs. Dichter Nebel, Schneefall und Stürme tragen zur Unterhaltung bei…

Von den Schotten lernen

Ja, die Winter in den Alpen schwächeln. Speziell die Bedingungen zum Eisfallklettern haben sich in den letzten Jahren drastisch verschlechtert. Aber ich bin mir sicher, Winterbergsteigen hat Zukunft. Warum? Weil es jedem Alpinisten die Chance bietet, besondere Tage in den Bergen zu erleben. Solche, die in Erinnerung bleiben. Sicher werden wieder kältere Winter kommen, auch wenn die Kälteperioden nicht mehr so lang sind wie noch vor zehn Jahren. Aber das ist nicht entscheidend. Gefragt ist Kreativität. Wir müssen von den Schotten lernen und unsere Spielplätze selbst definieren. Skitouren und Eisfallklettern sind nicht alles. Höher gelegene Nordwände und alpine Grate weisen bei milderem Wetter oft passable Bedingungen für Winterklettereien auf. Und im Spätherbst, bevor allzu viel Schnee liegt, können felsige Anstiege, beispielsweise in den Dolomiten, oder auch Hochtouren bleibende Eindrücke hinterlassen. Die Auseinandersetzung mit Kälte, Einsamkeit und Gefahren wird uns motivieren, fordern und erfüllen. Lange, kalte Nächte bieten Raum für eine Reflexion unseres Treibens.

Lawinengefahr macht eine überlegte Routenwahl nötig

Wir (Martin Birkmann, Vlada Savcenko, Eric Smolski und ich) haben ein paar Bilder aus Schottland mitgebracht: Schnappschüsse mit einer kleinen Knipse vom Einklettern in den Cairngorms, von langen Routen am Ben Nevis und vom Ravens Gully, einem tief eingeschnittenen Couloir im Gebiet Glen Coe. Ich denke, man kann auf den Bildern erkennen oder erahnen, welche Anforderungen Winteralpinismus stellt.

Die Orientierung ist viel anspruchsvoller als im Sommer, hinzu kommt oft Lawinengefahr, die eine überlegte Routenwahl nötig macht. Beim Klettern ist die Absicherung bzw. nicht vorhandene Absicherung immer ein großes Thema. Selbst wenn irgendwo Haken im Fels stecken: unter Schnee und Eis wird man sie kaum finden. Für Eisschrauben taugt das Eis oft nicht und Cams halten schlecht in vereisten Rissen. Auch bei der Sicherungstechnik sind also Kreativität und frisches Denken unumgänglich.

Ein paar Beispiele: die Eisgeräte geben gute Anker ab, Peckers (Beaks) halten, wo kein Haken mehr funktioniert und Spectres funktionieren nicht nur im gefrorenen Gras, sondern auch in tiefen, brüchigen Felsrissen. Während in unregelmäßigen Kalkrissen Tricams funktionieren, machen sich in Schottland Offsetkeile und Hexentrics gut, die vorzugsweise mit dem Hammer festgeklopft werden. Eine gewisse handwerkliche Komponente lässt sich nicht leugnen…

Zurück zum Ravens Gully: Anders als am Ben Nevis fanden Martin und ich miese Bedingungen vor – viel Schnee, kaum Eis, schlechte Sicherungsmöglichkeiten. Am Abend erreichten wir den Gipfel des Buchaille Etive Mor. Ein paar Seillängen waren grenzwertig und ich hatte mir beim Hakenschlagen ordentlich auf den Finger geprügelt. Winteralpinismus ist kein Ponyhof, aber das ist auch gut so.

Text: Fritz Miller
Bilder: Fritz Miller, Martin Birkmann

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