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Fritz Miller – Solo-Winterbegehung des Rädlergrates

VAUDE Team-Alpin-Mitglied Fritz Miller berichtet von einem Ausflug zum Allgäuer Himmelhorn (2111 m)

 

Der Allgäu-Kletterführer (Panico) sagt: „…mit Abstand das ernsteste Ziel des vorliegenden Kletterführers.“ Der Wetterbericht für den nächsten Tag sagt: „…starker bis stürmischer Südwind, im Tagesverlauf Niederschläge…“ Der Kalender sagt: „6. Februar.“ Alles spricht für einen netten Kurzurlaub im Allgäu – bis auf mein viel zu schweres Reisegepäck…

Seltsame Skitour
Um 21:00 starte ich von Oberstdorf ins Oytal. Die ersten 40 Minuten muss ich meine Ski tragen, weil praktisch kein Schnee liegt. Dann kann ich sie endlich anschnallen. Bald darauf schalte ich meine Stirnlampe aus und schleiche am Oytalhaus vorbei, um dort niemanden zu beunruhigen. Dem Wachhund jedoch entgeht nichts, so dass ich noch eine Zeit von Hundegebell und grellem Scheinwerferlicht begleitet werde. Die nächste Schikane lässt nicht lange auf sich warten: Der Schnee wird kälter, die Steigfelle stollen, und das nervt gewaltig. Ich schmiere Sonnencreme auf die Felle, was zumindest vorübergehend hilft. Nach grob zwei Stunden Zustieg schlage ich mein kleines Zelt in der Nähe des Stuibenfalls auf und versuche etwas zu schlafen.

Wilder Grat, wilder Ritt

Um 4:00 klingelt der Wecker, um 4:50 breche ich am Zelt auf zum Einstieg des Rädlergrates. Es ist stockdunkel, aber ich kenne den Weg noch grob von einer Begehung im Herbst 2011. Das erste Stück bis zum Geisbachtobel kann ich mit den Tourenski gehen, dann wechsle ich auf Steigeisen und klettere die Steilgrasflanke zum Einstieg hoch. Sie ist südseitig exponiert und genau wie der folgende Felsteil weitestgehend schneefrei. Im Morgengrauen steige ich ein. Die ersten sieben Seillängen sind leicht (3. und 4. Schwierigkeitsgrad), dafür aber sehr brüchig. Es folgen drei steilere, schwierigere Längen (4+, 6, 5+), in denen ich mich sichere. Einige alte Haken stecken, darüber hinaus müssen zwei Gedenkkreuze als Standplätze herhalten. Der letzte Gratabschnitt ist wieder grasig und vergleichsweise harmlos. Ich gebe noch einmal Gas und stehe um 8:57 auf dem Gipfel. Der Wind bereitet mir keine Probleme, aber es ist schon abzusehen, dass das Wetter nicht mehr ewig hält. Nach einer Pause steige ich zurück zum letzten Standplatz. Von hier seile ich fünfmal Richtung Süden ab, bis ich im heiklen Steilgras zurück zur Aufstiegsroute und schließlich zu meinem Skidepot komme. Wenig später, um 11:40, erreiche ich mein Zelt. Während ich einen kleinen Mittagschlaf mache, zieht es vollends zu und beginnt zu schneien.

Ein paar Gedanken drum herum

Gras, Bruch, lange Zu- und Abstiege – die Allgäuer Alpen sind alles andere als das Ideal eines Klettergebiets. Und dennoch sind Touren wie der Rädlergrat beliebt, vielleicht gerade wegen ihrer Macken und Eigenheiten, die sie unbequem aber auch sympathisch machen. Vielleicht weil sie Charakter haben, weil sie eine gewisse Ehrlichkeit, Bescheidenheit und Beständigkeit verkörpern. Sicher ist, dass sie zur großen Vielfalt beitragen, die unsere Berge zu bieten haben.

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