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Drei Zinnen, zwei Klettertage, vier Nordwandklassiker

Fritz Miller und Flo Böbel sammeln Klettermeter in den Dolomiten
Die Wolken im Süden verfinstern sich, während wir durch den Bruch der letzten Seillängen der „Hasse-Brandler“ schleichen. Es beginnt zu tröpfeln. Am Gipfel brummt das stählerne Kreuz wie eine Hochspannungsleitung. Schnell weg hier! Das etwas unsichere Wetter bringt aber auch einen erheblichen Vorteil mit sich: Es sind kaum Leute unterwegs und wir können unseren bevorzugten Kletterstil perfekt umsetzen: schnell hoch, schnell runter, Feierabendbier…

Pläne schmieden – und endlich wieder duschen
Am nächsten Tag zieht eine Störung durch, Flo und ich hängen am Parkplatz der Auronzohütte rum. Es zeigt sich: Pläne schmieden ist manchmal schwieriger als sie umzusetzen, wenn ein Gebiet derart viele Möglichkeiten bietet. Irgendwann am Nachmittag entscheiden wir uns für die klassischen Nordwandrouten „Cassin“, „Comici“ und „Innerkofler“, die wir an einem Tag nacheinander klettern wollen. Wir machen uns auf den Weg, um die Einstiege zu inspizieren sowie Verpflegung und Ausrüstung zu deponieren. Unter der Nordwand der Großen Zinne angelangt, erwischt uns ein schweres Gewitter. Ein sehenswerter Wasserfall rauscht über das riesige Dach der Westlichen Zinne Nordwand, wir sind bald klatschnass und damit endlich wieder gewaschen.

Ein Tag, drei große Klassiker
Es ist kalt geworden, aber am Abend bessert sich das Wetter langsam. Die Tschechen, die neben uns campieren, versorgen uns mit heißem Tee. Wahrscheinlich werden die Bedingungen morgen nicht ideal sein, eventuell müssen wir unsere Pläne begraben. Aber es ist cool hier zu sein, in den Bergen. Und Teil zu sein einer internationalen Gemeinschaft, die keine Grenzen kennt, nur Vertrauen und gemeinsame Werte. Es ist längst dunkel, als wir uns in den Schlafsäcken verkriechen. Nach einer kurzen, unruhigen Nacht brechen Flo und ich auf zur Westlichen Zinne. Um 5:45 steigen wir in die „Cassin-Führe“ ein. Keine fünf Minuten später verklemmt sich unser Seil beim Simultanklettern. Kein guter Start, aber so beginnen erfahrungsgemäß viele große Klettertage. Und tatsächlich läuft es danach rund. Die imposante Nordwand liegt bald hinter uns, über den südseitigen Normalweg geht es flott hinunter zum Einstieg der „Comici-Führe“ der Großen Zinne Nordwand. Flo übernimmt die Führung. Auch ohne Chalkbag (leider nass) zieht er zielstrebig durch die steilen, speckigen Schlüssellängen und zuletzt durch eine unangenehm feuchte Verschneidung. Wenig später geht’s via Ringband und Normalweg zum Gipfel. Wieder steigen wir südseitig ab, um dann auf die Nordseite zu wechseln und die kleine Zinne anzugehen. Den unteren Teil der Nordwand, zwar brüchig aber auch gutmütig gestuft, klettern wir seilfrei. Ab dem Nordwandsattel folgen wir der „Innerkofler-Führe“. Um 17:50 stehen wir schließlich oben. Ja, die Drei Zinnen sind immer wieder schön, die Nordwände immer wieder steil und es gibt noch viel zu tun. Irgendwann, nach einem oder besser mehreren Ruhetagen…

Gekletterte Routen, ein paar Zahlen und der „Zeitplan“
07.07.15 „Hasse Brandler“: ca. 23 SL bis 8+ (UIAA)
09.07.15 „Cassin“: ca. 26 SL bis 8- (UIAA), Einstieg 5:45, Gipfel Westliche Zinne 9:28
„Comici“ (mit Ringbandausstieg): 16 SL bis 7 (UIAA) + ca. 150 Hm ungesicherte Leichtkletterei, Einstieg 10:54, Gipfel der Großen Zinne 15:14
„Innerkofler“: 5 SL bis 4+ (UIAA) + ca. 200 Hm ungesicherte Leichtkletterei, Einstieg (Basis der Wand) 16:37, Gipfel Kleine Zinne 17:50
Alles von Vor- und Nachsteiger frei, sturzfrei und ohne „Hänger“ geklettert. Für Flo waren alle Routen neu, mir waren „Cassin“, „Comici“, und „Innerkofler“ von früheren Begehungen bekannt.

Text: Fritz Miller

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