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Das Tausend-Sterne-Hotel – Teil 2

Endlich auf Tour. Der Alltag liegt hinter Dir und Du bist unterwegs. Alle Sensoren stehen auf Empfang: Neue Landschaften, neue Menschen, neue Bräuche, neues Essen ­– da willst Du ganz nah dran sein. Am besten auch nachts, deshalb kommt für Dich nur Zelten infrage. In Corona-Zeiten spricht vieles fürs Campen in der Einsamkeit, andererseits limitieren nicht nur Reisebeschränkungen die Möglichkeiten stark, denn die Regelungen zum „Wildzelten“ unterscheiden sich in den Alpen-Anrainerstaaten und dem Rest Europas erheblich. Teil II des Ratgebers.

Zelt, See, Lagerfeuer und gute Gesellschaft. Besser geht es kaum! Bild:Powerpress

Disclaimer: Wir von der VAUDE-Experience sind keine Anwälte. Der Text ist also keine Rechtsberatung. Wir versuchen aber, für Dich und Euch Licht in den Dschungel der unterschiedlichen Regeln zu bringen und Dir einen Leitfaden an die Hand zu geben, wie Du eigenverantwortlich entscheidest, wo Du wie draußen schlafen kannst. Alle Angaben ohne Gewähr und vorbehaltlich veränderter Rechtslage.

Im ersten Teil („Das Tausend-Sterne-Hotel, Teil I“) findest Du grundsätzliche Überlegungen zum Schlafen in der Natur und Details zur Rechtslage in der Alpen-Region. Der zweite Teil liefert dir nun einen Überblick zur Lage in den Nachbarstaaten und einigen anderen europäischen Staaten.

Italien

Auch in Italien gilt die Maxime, dass wildes Campen erst einmal verboten ist, sofern der Eigentümer des Grunds dies nicht erlaubt/genehmigt. Anders sieht es mit einem Nachtbiwak aus: Das Schlafen im Freien zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang ist juristisch betrachtet zulässig, in der Praxis aber mit diesem engen Zeitfenster und geringen Komfort nicht so attraktiv. Es schließt hitzige Diskussionen vor Ort nicht automatisch aus – schließlich kann es spitzfindig werden, was Biwak noch ist und wann Camping anfängt.

Wenn Du sicher sein möchtest, solltest Du Dich vor Ort durchfragen: Manche Region/Kommune hat für die Flächen unter ihre Obhut explizite Regelungen erlassen und manche haben sogar Rastplätze ausgewiesen, auf denen Du Dich 24 Stunden aufhalten darfst, schlafen inklusive.

Rechts ein (legaler) Biwak, links ein (illegales) Zelt? In manchen Regionen ist es genau so! Bild: Bastian Morell

Frankreich

Der französische Staat überlässt es dem Landbesitzer, zum Campen auf seinem Grund zu entscheiden. Ohne sein/ihr Einverständnis läuft auch hier nichts. Auf staatlichen Ländereien ist es abgesehen von explizit ausgewiesenen Flächen (örtlichen Behörden obliegt es, diese festzulegen) ohne Genehmigung verboten. Biwakieren fällt auch in Frankreich in einen „quasi legalen“ Rechtsrahmen, ist aber in mancher Region auf bestimmte Flächen beschränkt und in Nationalparks müssen besondere Regeln eingehalten werden (Abstände). Im Hochgebirge jenseits der Baumgrenze werden Biwaks laut diversen Erfahrungsberichten meist geduldet.

Wer auf ein Zelt verzichten kann, hat in Frankeich mehr legale Schlafmöglichkeiten – Bild:Powerpress

Spanien

Wildcamper sind in Spanien auf eine Genehmigung der örtlichen Behörden angewiesen, um legal zu nächtigen. Teilweise gibt es auch regionale Verbote. Für Pilger auf dem Pilgerweg nach Santiago de Compostela gibt es eine Ausnahme: Auf den letzten 100 Kilometern vorm Ziel wird wildes Campieren entlang des Weges geduldet. Und in den Pyrenäen sind Biwaks an Standorten oberhalb von 2.000 Metern für eine Nacht erlaubt. Es gibt dort bisweilen Schilder die entsprechende legale „Campingzonen“ ausweisen.

Ist Zelten erlaubt, darf es auch ein exponierter Spot sein! – Bild: Maximilian Semsch

Belgien

Belgien hat zum Wildcampen keine einheitliche Position. Eigentlich ist es legal, abseits von Campingplätzen für 24 Stunden zu übernachten. Aber in Flandern und an einigen festgelegten Orten, sowie an der Küste darf generell nicht außerhalb von Campingplätzen campiert werden.

Luxemburg

Kleines Land – kurzer Absatz: Luxemburg verbietet wildes Campen. Auf privatem Grund ist es auf zwei Zelte begrenzt mit Erlaubnis des Eigners jedoch legal.

Niederlande

Die Niederländer sind eine Campernation und haben klare Regeln: Wildes Campen abseits von Campingplätzen oder entsprechend ausgewiesenen Flächen ist verboten. Letztere sind besonders selten. Das gilt übrigens auch für privaten Grund. Die Lösung heißt „Mini-Camping“, eine Art „kleiner Nebenerwerbs-Campingplatz“ von Landwirten oder die einfach eingerichteten „Trekkerhütten“.

Dänemark

Dass die Situation für Camper in Dänemark trotz eines klaren Wildcamp-Verbots als „hygge“ bezeichnet werden darf, liegt an über 1.500 extra errichteten Naturlagerplätzen. Diese sind mit einem einfachen WC und Kaltwasserhahn ausgestattet, die Kosten sind gering (drei Euro) und eine App („Shelter“) liefert alle relevanten Informationen.

Zelt am Strand? Auf einem Naturlagerplatz durchaus möglich! – Bild: Maximilian Semsch

Norwegen und Schweden

Fantastische Landschaft, tolle Menschen, reichlich Einsamkeit und eine camper-freundliche Gesetzeslage macht Norwegen zum Paradies für Wildcamper. Das so genannte Jedermannsrecht erlaubt, dass Du fast „überall“ für eine Nacht zelten darfst. Dabei ist es unerheblich, ob der Grund in Privatbesitz ist, das entscheidende Kriterium ist, dass es sich um eine „unkultivierte“ Fläche handelt. Außerdem gilt, dass das Zelt außerhalb der Sicht des Hauses vom Landeseigner errichtet werden muss, Du nur eine Nacht am gleichen Ort campen darfst, offenes Feuer generell verboten ist und Du jedweden Müll wieder mitnehmen, sowie den Platz ohne Spuren Deines Aufenthaltes hinterlassen musst. Übrigens gilt dieses Jedermannsrecht nicht für Erholungssuchende, die motorisiert unterwegs sind.

Das Jedermannrecht macht es möglich: Wildes Zelten in Skandinavien – Bild: Bastian Morell

Finnland

Fürs Wildcampen in Finnland liest sich dies Gesetzes (Jedermannsrecht) anders: Übernachten auf privatem Grund ist erlaubt, Campieren auf Straßen oder öffentlichen Parkplätzen ist hingegen nicht zulässig.

Praktisch: In Finnland gibt es viele offene und kostenlose Wildnishütten, die Du für eine Übernachtung nutzen darf. Offenes Feuer bedarf der Genehmigung des Landeigners. Sind bauliche Feuerstellen angelegt, darf dies als Erlaubnis betrachtet werden. Beides gilt nur insofern es keine akuten Wald- und Grasbrandwarnungen gibt, dann ist das Entfachen von Feuer nur an überdachten Lagerfeuerstellen mit Kamin gestattet.

Polen

Die Rechtslage in Polen sieht vor, dass Wildcamping nur mit behördlicher Genehmigung legal ist. Viele Trekker berichten jedoch, dass abseits der Nationalparks sehr locker mit dieser Vorschrift umgegangen wird. Auf privatem Boden darf mit Erlaubnis des Eigners wild gezeltet werden.

Zelt am Strand? Wenn es der Eigentümer erlaubt, kein Problem! – Bild: The Wild Routine

Tschechien

Der tschechische Staat verbietet Wildcampen grundsätzlich, auch auf privatem Boden oder Parkplätzen. Legal ist es nur auf ausgewiesenen Plätzen. In manchen Nationalparks wurden Notübernachtungsplätze eingerichtet. In Tschechien lohnt es, auf die Unterscheidung zwischen Campingplatz und Lagerplatz zu achten. Erstere bieten eine umfassende Infrastruktur, letztere sind sehr einfach gehalten, oft sehr malerisch und einsam gelegen und sehr günstig.

Ungarn

In Ungarn ist das Übernachten/Campen abseits von Campingplätzen auch auf Privatgrundstücken generell nicht zulässig. Dafür gelten die ungarischen Campingplätze als sehr günstig.

Besser: Dein Lager erst kurz vorm Schlafen errichten – Bild: Matthias Haupt

Die Maxime lautet auch international: Sei verantwortungsvoll

Der kleine Überblick hat Dir gezeigt, dass südlich des skandinavischen Jedermannrecht Regelwildwuchs herrscht. Hier nun die besten Tipps, um in der konkreten Situation vor Ort möglichst entspannt und ohne böses Erwachen für alle Beteiligten im Tausend-Sterne-Hotel zu nächtigen:

  • Wähle Campingausrüstung möglichst ohne reflektierende Applikationen und nutze unauffällige Farben.
  • Prüfe Dein Motiv: Warum möchtest Du wild zelten? Speziell: bist Du in Ermangelung anderer Möglichkeiten dazu genötigt? Besonders in Regionen, die vom Tourismus leben, bedeutet Wildcamping lokale „Einkommensverluste“. Sei Dir dessen bewusst und wäge dies mit Deinen Interessen ab.
  • Checke vor dem wilden Campen, ob es nicht doch legale Optionen gibt. Portale wie 1Nitetent.com, Opencampingmap und Welcome to My Garden oder Verzeichnisse wie die dänische Shelter-App oder die belgische Seite Bivakzone weisen den Weg zu legalen und günstigen Spots für Deine Übernachtung.
  • Meide Wohngebiete weiträumig: nächtliche Spaziergänger, Jogger oder Hundeausgänge erhöhen das Risiko, beiderseits gestört zu werden.
  • Kein Lager in der Nähe von Industrieanlagen – Nächtliche Diskussionen mit dem Sicherheitsdienst sind in der Regel wenig erbaulich.
  • Wenn kein Lager in Einsamkeit möglich ist, frage stets vor Ort nach einer Empfehlung/Erlaubnis, bzw. wähle Standorte, wo die Zweckentfremdung als Nachtlager eher toleriert werden: Rastbänke, Schutzhütten, Grillplätze oder Sportstätten.
  • Zelte in möglichst kleinen Gruppen.
  • Bereite Dein Abendessen noch bei Tageslicht und an anderer Stelle zu und gehe dann satt auf die Suche nach einem Nachtlagerort.
  • Errichte Dein Lager spät am Abend und baue es früh wieder ab und wechsle den Ort bereits fürs Frühstücken.
  • Übe den Aufbau Deines Lagers zuhause im Dunklen, damit es Dir quasi „blind“ von der Hand geht.
  • Vermeide Licht (benutze die Rotlichtfunktion Deiner Stirnlampe) und Lärm.
  • Kein Toilettengang ohne Schaufeln: Kot und Papier gehören vergraben, immer und überall!
  • Hinterlasse nichts als die Spuren deiner Reifen oder Schuhe und die Auflagefläche Deiner Isomatte. Steiniger Untergrund ist dank guter Isomatten kein Problem und reduziert die Umweltbelastung Deiner Übernachtung (geschützte Pflanzen).
  • Ach komm, sei nicht so: Nimm auch Müll anderer Leute mit, das macht den Spot schöner und ist gut für Dein „Karma“!
  • Hülle Dich in Schweigen über Dein Wildcamping. Poste keine Bilder und/oder Standorte Deiner Wildcamps, um die Sehnsucht Anderer nicht weiter zu befeuern.
Unvergesslich: Ein Biwak mit Freunden mitten in der Einsamkeit der Natur. – Bild: Ralf Gantzhorn

Im ersten Teil („Das Tausend-Sterne-Hotel, Teil I“) findest Du grundsätzliche Überlegungen zum Schlafen in der Natur und Details zur Rechtslage in der DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz).

Quellen und zum Weiterlesen und Weiterhören

  • Eine hervorragende Zusammenfassung der Rechtslage in Deutschland im Bergfreunde-Blog.
  • Übersichtlich und aktuell haben die bikepacking-affinen MacherInnen von BikeBild die Lage
  • Die Bergzeit erklärt die Situation in Europa.
  • Der Allgäuer-Freigeist Kristian Rath macht sich seine eigenen Gedanken und kommt zu einer etwas freieren Auslegung der Rechtslage.
  • Der ÖAV schlüsselt die Situation in Österreich nach Bundesländern auf …
  • … und der SAC in der Schweiz – natürlich ohne Bundesländer …
  • … auch der DAV erteilt Rat.
  • Eine interaktive Karte aller Schutzgebiete in Deutschland, filterbar nach Gebietskategorien beim Bundesamt für Naturschutz …
  • … dasselbe für die Schweiz
  • und Österreich bietet hier einen Überblick
  • Diese Karte weist die aktuellen Waldbrandgefahrenstufen in Deutschland aus. Manche Bundesländer bieten regionale Infos, z. B. Thüringen
  • Naturlagerplätze in der Eifel, Schleswig-Holstein und Sachsen
  • 1Nitetent ist in Deutschland gestartet und hat mittlerweile auch erste Spots in Irland, Polen, Weißrussland und sogar Guatemala. Auch zu nennen sind die kostenlosen Angebote unter de und die kostenpflichtigen unter Pop-Up Camps, sowie my Cabin, die auch Zeltwiesen im Angebot haben.
  • Christo Förster fragt in dieser Folge seines „Frei raus“-Podcasts: „Wird das Wildcampen freigegeben?“
  • Wer jetzt Lust auf mehrtägiges Trekking hat, der kann sich hier über Trekkingcamps weiter informieren.

Text: Velonauten

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