
Maximilian Semsch bezeichnet sich selbst als Abenteurer, Weltreisender und Filmemacher. Sein bevorzugtes Reisemittel ist das Fahrrad. Er war einer der Ersten, der für seine Radreisen auf das E-Bike umstieg und die damals neue Elektromobilität im Langzeiteinsatz auf Herz und Nieren testete. Nach unzähligen Erlebnissen in exotischen Ländern, stellte er fest, dass er ferne Länder besser kannte, als seine eigene Heimat. Das sollte sich ändern und er plante sein “Abenteuer Deutschland”. Er war überrascht von der Schönheit und dem Abwechslungsreichtum eines Landes, in dem er aufgewachsen ist, von dem er aber erstaunlich wenig kannte…

Mein Beruf? Abenteurer!
Anfang Zwanzig, gerade mit der Schule fertig, ging ich mit meiner damaligen Freundin auf Weltreise. Nach ein paar Wochen mit Bus und Bahn in Indien gelandet, beschlossen wir, das Land auf dem Fahrrad zu erkunden. Für umgerechnet 40 Euro erstanden wir zwei indische Fahrräder – ohne Gangschaltung. Das war ein unvergessliches Abenteuer und der Beginn meiner großen Leidenschaft für Radreisen.
Danach habe ich das Reisen zum Beruf gemacht. Ich wollte die Welt erkunden und damit auch meinen Lebensunterhalt verdienen. Mein erster Job als “Abenteurer” führte mich von München nach Singapur und einmal 16.000 km rund um Australien. Insgesamt sind so rund 60.000 Fahrrad-Kilometer in über 30 Ländern zusammengekommen. Dabei galt für mich immer: Je weiter weg von daheim und je exotischer ein Land, desto größer das Abenteuer. Das ist aus heutiger Sicht sicher nicht falsch, aber bald fiel mir auf, dass ich mich mittlerweile in Thailand oder Australien besser auskenne als in meiner Heimat in Deutschland. Das sollte sich dringend ändern.
Mein Plan: Deutschland mit dem Rad erkunden.
Vier Monate lang, alleine 7.500 km auf dem E-Bike kreuz und quer durch alle 16 Bundesländer – das war mein Plan für meine Radreise durch ganz Deutschland. Wobei, alleine war ich bei „Abenteuer Deutschland“ nur selten, denn ich habe mich mit fast 200 Leuten getroffen. Vom Busfahrer über App-Entwickler bis hin zu Skisprunglegende Jens Weißflog – alle zeigten mir ihr persönliches Stück Heimat.

Elbradweg durch den “unbekannten” Osten
Als Wessi hatte ich den Osten immer noch viel zu wenig auf dem Schirm! Und das ist wirklich schade, denn gerade für Radfahrer haben die östlichen Bundesländer richtig viel zu bieten. Zum Beispiel ein Teil des beliebtesten und besten Radwegs Deutschlands: Der Elberadweg. Dieser ist 1.220 km lang, 840 km davon verlaufen auf deutschem Gebiet. Ich folgte dem Elberadweg vom malerischen Nationalpark „Sächsische Schweiz“ bis nach Havelberg im Norden Sachsen-Anhalts. Neben der unberührten Natur der Elbauen, gibt es gleich mehrere UNESCO-Welterbe entlang des Weges zu bestaunen. Meine Erwartungen wurden bei weitem übertroffen, mir war nicht bewusst wie wunderschön es im eigenen Land sein kann und wieviel – mir bis dahin völlig Unbekanntes – es zu entdecken gab. Ob Zelten an der Ostsee, mit Jens Weißflog durch das Erzgebirge oder auf dem Hausfloß auf der Havel unterwegs. Es gab für mich jeden Tag ungeahnt Neues zu erleben.

Und, egal ob sportlich anspruchsvoll durch das Erzgebirge oder gemütlich über den 330 km langen Berlin-Usedom-Radweg: für jeden Typ Radfahrer ist etwas dabei. Meine persönlichen Highlights: das Elbsandsteingebirge in Sachsen, sowie der Weststrand des Darß auf der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst in Mecklenburg- Vorpommern.

Im Norden unterwegs auf Deutschlands Küstenradwegen
Ich war lange in Thailand und Australien unterwegs und habe da die schönsten Strände des Landes gesehen. Ganz ehrlich, der Strand auf Norderney kann da allemal mithalten. Meine Nordsee-Etappe startete am nördlichsten Punkt Deutschlands, auf Sylt. Die hat neben den immerhin 40 km Strand auch 200 km Fahrradwege zu bieten. Durch Schleswig-Holstein folgte ich dem Nordseeküstenradweg, der mit rund 6.000 km durch acht Staaten der längste Radweg der Welt ist.

Mit der Fähre ging es über die Elbe nach Niedersachsen und über den Weserradweg bis nach Bremen. Ostfriesland ist für mich eine der spannendsten Regionen der Nordsee. Denn Radfahren bedeutet hier: an Deichen und Leuchttürmen, verträumten Fehnkanälen und unberührten Moorgebieten vorbei und entlang zu radeln. Begleiter sind dabei immer die gute Seeluft, die Ruhe abseits vom Verkehrs- und Großstadtlärm und natürlich der stete Wind. Genau diese Kombination macht eine richtige Radtour auf ostfriesisch aus. Ostfriesland mit dem Wattenmeer und den vorgelagerten Inseln, gehört für mich zu den schönsten Orten der Tour.

Heimat erkunden in Deutschlands Süden
Wie schön mein eigenes Bundesland ist, war mir, dem Bayer, nie bewusst. Jede Reise beginnt bekanntlich mit dem ersten Schritt. Und meiner führte mich aus der eigenen Haustür.

Die ersten Tage fuhr ich durch meine Heimat Bayern, und doch hatte ich die meisten Orte zuvor noch nie besucht. Ob die längste Burg der Welt (1.053 Meter) in Burghausen, den wunderschönen Donauradweg von Passau nach Regensburg, der nördlichsten Stadt Italiens.

Unterwegs habe ich Biber in Nürnberg beobachtet, am Main im Tipi-Zelt übernachtet und eines der besten Weingüter Deutschlands, Divino, besucht. Ich hätte den ganzen Sommer lang nur durch Bayern fahren können und hätte wohl immer noch nicht alles gesehen. Besonders das Voralpenland hat es mir angetan. Die Dichte an Burgen und Schlössern, kristallklare Seen und schneebedeckte Gipfeln ist einmalig in Deutschland. Besonders gut lässt sich die Region auf dem 418 km langen Bodensee-Königsee-Radweg erkunden. Nicht direkt mit dem Rad zu erreichen, dennoch aber aus meiner Sicht ein unbedingtes Muss: die Zugspitze. Jeder sollte einmal die Aussicht auf rund 2.960 Metern genießen und dem höchsten Punkt Deutschlands einem Besuch abstatten.

Der Natur & Kultur auf der Spur – im Westen
Ob auf dem Ruhr- oder Rheinradweg oder im Sauerland: das bevölkerungsreichste Bundesland hat viele grüne Ecken und Landschaft zu bieten. Auch Städte wie Dortmund, Duisburg oder Aachen haben mich positiv überrascht. Tag und Nacht, hier ist immer etwas los, egal ob im Ruhrpott, am Rhein oder in Aachen. In keinem anderen Bundesland habe ich so viele Kneipen und Restaurants besucht wie hier. In Nordrhein-Westfalen wird viel Geld in die Renaturierung von Gewässern gesteckt und ehemalige Industrieanlagen werden zu Freizeit- und Erholungsgebieten umgestaltet. Die Zeche Zollverein Essen ist zum Beispiel ein Industriemuseum und gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Die über 14.000 km Radfernwegen bieten in NRW jedem Radfahrer eine tolle Tour. Das Schöne dabei ist: man muss kaum zwischen Natur oder Kultur abwägen. Hier geht beides permanent ineinander über. Man muss schon aufpassen, unterwegs nichts zu verpassen. Da helfen, so wie bei mir, wissende NRW-ler als Guides. Denn die Menschen hier sind wie die Gegend: etwas eigen aber herzlich.

Zu seiner Deutschland-Tour hat Maximilian 2017 sowohl ein Buch geschrieben (#what a trip – 7500 Radkilometer, 200 neue Freunde, 16 Bundesländer, erschienen im Bruckmann-Verlag), wie auch eine Serie mit 8 x 30 Minuten-Episoden erstellt (erhältlich auf DVD, Blu-ray und VoD). Weitere Infos und Bestellung unter www.what-a-trip.de
Bildergalerie:
Text und Bilder: Maximilian Semsch
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