
Eine dreiteilige Fotoreportage von „Schwarzfuchs“ Markus Schaumlöffel…
Teil 2: … auf die Zugspitze (2.962 m)
Der Wecker reißt mich am nächsten Morgen um fünf Uhr im Steinernen Hüttl aus dem Schlaf. Rasch mache ich ihn aus, um die anderen Gäste nicht zu stören und das liebevoll vorbereitete “Frühstück to go” in meinem Rucksack zu verstauen. Etwas Eile ist angesagt, denn heute soll das Wetter nicht ganz so lange halten wie gestern.
Der Hochwanner steckt mir noch etwas in den Knochen, als ich bereitwillig die erste Ausrede für ein kurzes Päuschen nutze: Etwa vierzig Gämsen nehmen mich ruhig grasend in ihre Mitte – direkt am Gatterl, dem legendären Grenzübergang von Österreich ins auf deutschem Boden gelegene Weiße Tal der Zugspitze. Ein friedliches Erlebnis im Licht der soeben von der Morgensonne errötenden Bergspitzen.
Wenig später an der Knorrhütte wärmen sich die ersten Zugspitz-Gipfelaspiranten gerade bei einer Tasse Kaffee auf der Terrasse, als ich in den Trail zum Sonnalpin einbiege. Ich bin nahezu allein. Für die bunten Bergsteigerkarawanen auf ihrem Weg zum “Everest der Deutschen” ist es einfach noch zu früh. Nur eine idyllisch klingelnde Herde weißer Ziegen begleitet meinen Weg.
Im Geröllfeld hinauf an den finalen Klettersteig zum Gipfel zeigt die Sonne zum ersten Mal an diesem Tag ihre ganze Kraft. Ohne den kühlen Wind wäre die Plackerei durch das ständig nachgebende, lockere Material wohl nur schwer auszuhalten. Zwei Schritte vor, einer zurück… bestenfalls! Denn manchmal läuft es auch umgekehrt und ich stehe am Ende meiner Bemühungen tiefer als zuvor.
Dennoch befinde ich mich bald darauf mitten im Klettersteig, als sich unter mir mit einem Male die ganze Panoramapracht der Region präsentiert. Den kompletten bisherigen Wegverlauf kann ich zurückverfolgen. Auch der Zugspitzgletscher ist gut zu überblicken – oder zumindest das, was im Zuge der ständigen Erwärmung von ihm noch übrig ist. Kaum vorstellbar, dass auch dieser Rest in zwanzig Jahren vollends verschwunden sein soll. Davon gehen zumindest die Forscher des Schneefernerhauses aus. Die internationale, alpine Forschungsstation klebt direkt neben mir wie ein Schwalbennest am Hang. Dort beschäftigen sich Wissenschaftler vor allem mit den Ursachen und Folgen des Klimawandels.
Als die braungelben Felsen mehr und mehr modernen grauen Betonaufbauten weichen, ist klar: “Top of Germany”, der Gipfel von Deutschlands höchster Touristenattraktion ist nahe. Und tatsächlich: Erstes Menschengemurmel dringt durch den Bergwind hindurch. Und wie ein gelandetes Raumschiff erhebt sich die futuristische Aussichts- und Restaurantplattform schräg über mir in den Himmel.
War der Hochwanner gestern noch ein waschechter Abenteuerberg, so stehe ich nun wohl eher auf einer Art “Tecnogipfel”. Standesgemäß gekrönt von einem goldenen Gipfelkreuz, das ich zum ersten Mal stolz umgreife. Den Blick ehrfurchtsvoll ins Höllental gerichtet, das von weit unten zu mir herauf gähnt.
Die Zugspitze hat einfach eine ganz eigene Atmosphäre, die mich bereits zum dritten Mal binnen weniger Jahre in ihren Bann zieht. Warum? Vielleicht beruhigt mich beim Blick auf den aktuell höchsten Kran Deutschlands ja der gigantische Aufwand, mit dem der Mensch den Bergen ein paar Quadratmeter lebensfreundliche Umgebung abtrotzen muss. Zeigt all dies doch, dass wir auf absehbare Zeit in der Natur noch unseren Meister haben.
Auf dem Abstieg nehme ich aus Sorge vor einer Rückkehr meiner Knieschmerzen die kurze Seilbahn vom Gipfel hinunter zum Sonnalpin. Ein kleiner Schönheitsfehler, ich weiß. Aber sicher ist sicher. Der verbleibende Rückweg zum Steinernen Hüttl verläuft auf der gleichen Route wie mein Aufstieg.
Auch mein zweiter Riese wäre geschafft – da waren’s nur noch einer. Allerdings was für einer…
Ende Teil 2…
Teil 3 führt auf den Watzmann. Laut einer Leserabstimmung der Zeitschrift „Bergsteiger“ aus dem Jahr 2014 ist der Watzmann der „schönste Berg der Welt“. Ich freue mich drauf, ihn im Rahmen meines Projekts nun zum ersten Mal kennen zu lernen.
Bericht & Fotos: Markus Schaumlöffel
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